Die Weihnachtspolizei ist unterwegs, um die Geschenke zu retten
Lese- und Vorlesegeschichte der auf Ibiza lebenden Kinderbuchautorin Kim Lolipop
Über Ibiza ist die Dämmerung hereingebrochen und der Duft von Kaminfeuer liegt in der Luft. Auf einem abgelegenen Bauernhof spielen die Katzenkinder Moki und Momo Verstecken.
Langsam zählt Moki bis 100. Momo versteckt sich leise in der Scheune unter einer Decke und hält aufgeregt die Luft an. “98, 99, 100! Ich komme! Ja, wer ist das denn?“, ruft Moki wenig später aus. Neugierig kommt Momo unter seiner Decke hervor und staunt. Hinter einem Traktor liegt eine Person. Vorsichtig beugen sich die Katzen über den Körper. Es ist ein Mann mit rotem Mantel und langen, weißen Haaren.
„Du, der atmet noch!“, stellt Momo fest. „Aufwachen!“, rufen die Katzen laut und kratzen an seinem Körper.
Die anderen Tiere des Bauernhofs sind durch die Rufe hellhörig geworden und eilen in die Scheune. Zuerst erreicht Hund Benno die Katzen, gefolgt von Esel Dofi und Hühnermutti Gundula. „Was ist denn hier los?“, ruft Dofi, während sich Gundula helfend über den Mann beugt. Schließlich bestaunen Ziegen, Schafe, Kühe und Mäuse den regungslosen Körper. „Das ist doch der Weihnachtsmann!“, stellt Ziege Mecki fest. „Der müsste doch längst bei der Arbeit sein! Was macht der denn hier?“.
Einen Moment lang herrscht Ratlosigkeit in der Gruppe, bis die Blicke zu Esel Dofi schweifen. Er weiß eigentlich immer Rat: „Nun ja, wir müssen ihm eine Suppe kochen und langsam davon trinken lassen. Die Menschen machen das so.“
Wenige Stunden später knistert hinter der Scheune ein wärmendes Feuer. Katzen, Hunde, Esel, Schafe, Ziegen, Mäuse und Hühner stecken die Köpfe zusammen. Die Suppe hatte den Fremden schnell wieder zu Kräften kommen lassen.
„Das ist wirklich eine schwierige Situation“, kommentiert Esel Dofi. „Ja”, antwortet der Fremde, “eigentlich wollte ich den Ibiza- und Formentera-Kindern ihre Weihnachtsgeschenke bringen. Es fing alles ganz normal vor zwei Tagen an. Ich bin mit meinen Rentieren und den voll beladenen Schlitten über geheime Landwege gestartet. Als wir die letzte Etappe mit dem Weihnachtsboot antraten, zog plötzlich ein Sturm auf. Ich kann mich noch daran erinnern, dass wir die Geschenkeschlitten stärker befestigen mussten. Plötzlich kamen wie aus dem Nichts riesige Wellen. Dann wurde mir schwarz vor Augen und ich kann mich an nichts mehr erinnern, bis ich hier in eurer Scheune aufgewacht bin. Ich muss mich anscheinend hierher geschleppt haben.“
„Komm, trink noch Suppe!“, sagt Hühnermutti Gundula.
„Ich habe ja schon viel erlebt”, fasst der Fremde zusammen. „Ich bin der Weihnachtsmann. In zwei Tagen ist Weihnachten, aber die Weihnachtsgeschenke für die Kinder sind weg, und ich habe nicht einmal eine Ahnung, wo sich meine Rentiere befinden. Ich bin am Ende.“
„Na na na. Jetzt sieh’ mal nicht so schwarz“, muntert ihn Dofi auf, und die anderen Tiere stimmen ermutigend zu: “Noch ist Zeit genug, sich auf die Suche zu machen.“
„Aber, was können wir tun?“, verzweifelt schüttelt der Weihnachtsmann seine grauen Haare.
Plötzlich erhellt sich Dofis Gesicht: „Es heißt doch immer: Die Polizei, dein Freund und Helfer! Wir werden unsere Polizei um Hilfe bitten. Immerhin geht es um die Geschenke der Menschen-Kinder.“
„Ihr habt eine Polizei?“, fragt der Weihnachtsmann verdutzt. „Natürlich!“, rufen Mäuse und Katzen im Chor. „Wir kommen zwar alle friedlich miteinander aus, weil wir uns respektieren und die hier geltenden Tierregeln einhalten, aber für Notfälle gibt es sicherheitshalber die Tierpolizei. Die ist echt gut organisiert. Die meiste Zeit haben die Polizisten frei und liegen am Strand oder gehen Angeln, aber wenn mal jemand nicht die Tierregeln einhält, treten sie in Aktion.“
Staunend reibt sich der Weihnachtsmann die Hände. „Na dann nichts wie hin”, ruft er hoffnungsvoll und startet sofort mit Esel Dofi und Hühnermutti Gundula.
Nachdem sie dem Polizeichef ihr Problem ausführlich erklärt haben, wendet sich dieser dem Weihnachtsmann zu: „Du hast in all den letzten Jahren den Menschenkindern so viel Freude geschenkt. Es wäre ja nicht auszudenken, wenn du deine Arbeit in diesem Jahr nicht ausführen könntest. Ich werde die ganze Inselpolizei mobilisieren. Das wird der größte Einsatz, den die Tierpolizei je gesehen hat. Wir werden deine Weihnachtsgeschenke und die Rentiere finden, das verspreche ich!“
Nach einem genauen Suchplan durchkämmen wenig später Tierpolizei und Spezialkräfte jeden Zentimeter der Insel. In der Einsatzzentrale hört der Weihnachtsmann, wie ständig Rückmeldungen beim Polizeichef eintreffen. Nach einigen Stunden erhalten sie endlich eine positive Nachricht. Die Rentiere sind in einem Waldstück gesund und munter gefunden worden.
Freudentränen kullern dem Weihnachtsmann über sein Gesicht.
„Gerade wird gemeldet, dass auch die Weihnachtsgeschenke gefunden wurden”, verkündet der Polizeichef stolz. “Der Sturm hat sie in eine kleine Wasserhöhle gespült, wo sie unsere Spezialtaucher gefunden haben. Es scheint noch alles komplett zu sein.“
Der Weihnachtsmann ist überglücklich: „Lasst uns mit der Arbeit beginnen”, ruft er freudig aus. “Und wenn die Tierpolizei bei der Verteilung der Geschenke helfen möchte, verleihe ich euch hiermit offiziell den Titel der Weihnachtspolizei.”
Und so geschieht es, dass sich in der darauffolgenden Nacht eine Weihnachtskarawane lautlos von Haus zu Haus schleicht. Geduldig warten die Rentiere mit den voll beladenen Schlitten an jedem Eingang, bis der Weihnachtsmann mit den Weihnachtspolizisten, Spezialagenten und anderen Sonderermittlern der Tierpolizei alle Geschenke auf Ibiza und Formentera verteilt hat.
Am Ende bleibt die Weihnachtspolizei mit den Bewohnern vom Bauernhof winkend an einem abgelegenen Strand zurück, während der Weihnachtsmann mit den Rentieren unerkannt die Insel verlässt. Er ist von dem harmonischen Miteinander und der großen Hilfsbereitschaft beeindruckt.
„Adios, liebe Freunde!“, ruft er über das Meer. „Ihr lebt so friedlich und respektvoll zusammen. Ihr zeigt allen, dass es möglich ist! Danke, dass ich das sehen durfte!”
„Du Chef, wie meinst du das?“ fragt eines der Rentiere. Nachdenklich krault sich der Weihnachtsmann seinen langen Bart und blickt in die Ferne. “Ich glaube, die Menschen müssen noch viel von den Tieren lernen!“. Über Ibiza gehen die Weihnachtslichter an und die Glocken erklingen.
Idee und Text: Kim Lolipop