fbpx

Exklusiv-Interview mit dem Pacha-Gründer und leidenschaftlichen Segler Ricardo Urgell

Wer das Wort Ibiza googelt, stellt fest, dass “Pacha” in Kombination der häufigste Suchbegriff gleich nach “Strand” ist. Ricardo Urgell hat ein Imperium gegründet und wie kaum ein anderer das Nachtleben der Insel geprägt.  

Seine Pacha-Gruppe verkaufte der 81-Jährige vor zwei Jahren für 350 Millionen Euro an die Fondsgesellschaft Trilantic, er selbst hält noch zehn Prozent. Wir sprachen mit dem “ältesten Diskothekenbetreiber der Welt”, wie er sich selbst bezeichnet, über die Anfänge auf Ibiza, über den technischen Fortschritt und über sein Lieblingshobby: das Meer.  

Herr Urgell, vielen herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben! Ist es ruhiger geworden in Ihrem Leben, seit Sie nicht mehr aktiv im Geschäft sind?

Ach was, mein Telefon klingelt die ganze Zeit. Wenn ich mich erinnere, wie ruhig und entspannt alles war früher im Gegensatz zu heute. Damals gab es keine Handys, und als wir das Pacha eröffneten, hatten wir nicht mal Telefon. Trotzdem hat immer alles gut funktioniert. Heute wird viel mehr gesprochen, aber weniger getan. 

Sind Sie gegen den technischen Fortschritt?

Nein, aber mein erstes Handy hat mein Leben verändert. Vorher war es meiner Meinung nach einfacher. Genau aus diesen Gründen kam ich ja nach Ibiza, weil die Insel von der Welt abgeschottet war. 

Als Sie das erste Pacha in Sitges bei Barcelona eröffneten, war Ihnen da klar, dass Sie einige Jahrzehnte später eine global operierende Franchisekette betreiben würden? 

Das stimmt, 1967 eröffnete ich das erste Pacha, damit bin ich ältester “discotero” der Welt. Ich hatte damals keine Vision, ein Imperium aufzuziehen. In meinen ersten Jahren in dieser Branche eröffnete ich neun Diskotheken auf dem Festland, an der Costa Brava, Lloret de Mar, in ganz Katalonien und in Barcelona. 1973 war dann die Eröffnung auf Ibiza. 

Wie kamen Sie überhaupt auf die Idee?

Ich habe Architektur studiert, war aber kein besonders guter Student und habe auch nicht abgeschlossen. Mit einem Freund zusammen entwickelten wir das Konzept für eine Diskothek.

Heute gibt es Pachas in vielen Ländern der Welt. Sind diese überall gleich gestaltet?

Nein, jedes Lokal ist anders, je nach den örtlichen Gegebenheiten. Das Pacha in Hamburg war anders aufgemacht als das in Ischgl, in Italien, Argentinien, Brasilien oder in Sydney. Wir haben jeden Standort in Absprache mit dem Franchisenehmer entwickelt, alles zusammen abgewickelt und kontrolliert, ob sie sich an die Vorgaben halten. Ein Nachtclub ist etwas anderes, als eine McDonalds-Filiale aufzumachen.

Waren Sie bei jeder Eröffnung selbst dabei?

Ja. 

Wie ließ sich das Nachtleben vereinbaren mit dem Tagesgeschäft, der Verwaltung und Führung des Betriebs?  

Es gehört viel Disziplin und Ordnung dazu. 45 Jahre lang war ich jeden Tag im Büro. Im Club hat man mich eher selten gesehen. Ich bin nämlich gar kein Nachtmensch, auch wenn manche das nicht glauben können. Ich war lieber auf meinem Segelboot als auf der Tanzfläche. 

Sie sind dem ganzen Trubel einfach davongesegelt?

Ich habe mich nach Formentera verkrochen, hier wohne ich bis heute. Ich habe ein Haus in La Mola. Für mich sind das Meer, mein Boot “El Baile” und Formentera immer die besten Mittel gegen Stress. 

Sie machen einen so entspannten Eindruck. Kennen Sie Stress überhaupt?

Ja, natürlich. Ich habe ein Nervenleiden, das ich früher, als ich noch aktiv im Geschäft war, gut unter Kontrolle hatte, weil ich die ganze Zeit abgelenkt war. Ich bin eigentlich sehr nervös und unruhig. 

Jetzt, nach dem Verkauf der Gruppe, bin ich noch genervter, vor allem wenn ich sehe, was mit dem Club passiert und ich keine Möglichkeit mehr habe, mich einzubringen. Meine Meinung stößt bei den neuen Betreibern auf taube Ohren. Das macht mich sehr traurig und tut meinen Nerven nicht gut. 

Womit beschäftigen Sie sich jetzt?

Mit dem Bau und Renovierung alter Häuser auf Ibiza und Reisen, wobei es mir jedes Mal schwer fällt, die Insel zu verlassen. Am liebsten würde ich immer hier bleiben. Nur wenn ich es sich gar nicht vermeiden konnte, reise ich aufs Festland. Letzten Winter war ich in Brasilien und wohnte dort in einem schönen Haus, dann im Tulum und Costa Rica. Nach der ganzen Reise war ich so froh, wieder zurück sein. Ich bin in Ibiza verliebt. Hier bin ich einfach am liebsten. 

In was genau verliebt?

Ibiza hat einfach alles: Formentera bietet mir den maximalen Rückzug, bei Santa Gertrudis habe ich ein Haus auf dem Campo. Es gefällt mir, in der Natur zu sein. Mallorca wäre mir schon zu groß. Hier haben wir alles und es ist jedes Mal ein anderes Erlebnis, ob man nun nach San Carlos oder nach San Antonio fährt. Überall trifft man auf eine andere Landschaft und andere Menschen. 

Was ist Ihr Lieblingshobby?

Mein größtes Hobby ist das Meer. Diesen Sommer plane ich einen Törn mit meinem Segelboot über Mallorca und Menorca nach Sardinen. Ich habe bereits sechs Mal den Atlantik überquert und bin von den Kanarischen Inseln in die Karibik gesegelt. Das Mittelmeer gefällt mir aber am besten, hier fühle ich mich sehr wohl und heimisch. Hier findet man Einflüsse aus allen Epochen und ich mag die Mischung der vielen verschiedenen Kulturen. 

Bereuen Sie es, Ihr Unternehmen und Ihre Marke verkauft zu haben?

Wenn ich mir das Pacha heute ansehe, muss ich leider feststellen, dass sie es verhunzt haben. Das tut mir sehr weh, denn es ist ja wie mein Kind. Wenn man eine Marke verkauft, passiert das oft, wenn die neuen Inhaber nicht zuhören wollen. Mit der Renovierung haben sie aus dem Pacha ein vulgäres Lokal gemacht, davor hatte es Persönlichkeit und den speziellen ibizenkischen Touch. Der ist verloren gegangen, das schmerzt mich. Die Zeiten ändern sich eben. Als wir 1973 aufmachten, ging das Feld vor unserer Tür bis zum Meer, jetzt liegt das Pacha quasi mitten in der Stadt.  

Wie ist Ihre Beziehung zu den neuen Inhabern? 

Den 7. April 2017 werde ich nie vergessen, da unterschrieb ich den Vertrag. Jetzt ist alles neu, eine neue Geschäftsstruktur und ein neues Team, aber keine Vision. Aber wie gesagt, ich bin raus, meine Meinung und Knowhow sind leider nicht gefragt. 

Kennen Sie Deutschland? 

Ich war mal für vier Monate am Stück in Deutschland, in Hagen ist Westfalen, das war 1956. Ich war 19 und arbeitete in einer Fabrik mit 3.500 Leuten. Ich erinnere mich an die deutschen Mädchen, aber die paar Worte, die ich sprechen konnte, habe ich vergessen.

Und Deutsche auf Ibiza?

Ja, ich kenne einige. Früher war Ibiza voll mit Deutschen, aber in den letzten 15 Jahren sind viele gegangen. Auch von Formentera gehen sie weg, das früher mit seiner Hippie-Atmosphäre sehr attraktiv für sie war. Heute sieht man dort fast nur noch Italiener in teurer Designerkleidung. 

Welche Schwierigkeiten hat Ibiza bezüglich des nachwievor wachsenden Tourismus?

Auf den Quadratmeter gesehen haben wir hier mehr Tourismus als die USA. Ein Problem ist, dass immer mehr Menschen kommen und damit zu viele Autos. Aber ich weiß auch nicht, wie man das lösen könnte. Gottseidank beginnt oberhalb von Santa Gertrudis eine andere Welt.

Im Mai waren Kommunalwahlen auf Ibiza. Waren Sie wählen? 

Ich bin total apolitisch und war noch nie wählen. Politik hat mich noch nie interessiert und ich habe auch keine politische Meinung. Ich bin doch kein Idiot, meine Stimme für irgendeinen aufgeblasenen Kandidaten abzugeben. Da es mehr Dumme als Kluge auf der Welt gibt, haben in einer Demokratie die Dummen das Sagen. Zum Resultat der Wahlen, ob auf Ibiza oder sonstwo: Es ist egal, wer an der Macht ist, denn alles bleibt gleich oder wird schlimmer. Ich wurde schon öfter angefragt, in die Politik zu gehen. Selbst wenn sie mich bezahlen würden, würde ich das nicht machen. 

Sie sind bzw. waren neben Abel Matutes der größte Unternehmer auf Ibiza. Macht Sie das stolz? 

Ich habe viele Preise und Auszeichnungen erhalten, unter anderem die Madalla Oro de Turismo, die Medalla de Oro de Ciudad de Ibiza, la Llave de Oro und vor einem Jahr den Galardon de Trabajo. Ich hatte 1.500 Mitarbeiter allein auf Ibiza beschäftigt, außer im Pacha auch im Lio, Destino oder El Hotel. Von den 50 Jahren meiner Diskozeit arbeitete ich die letzten 20 Jahre nur noch tagsüber. Abends war ich nie im Club. Anders wäre es auch nicht gegangen. 

Hatten Sie manchmal Ärger mit der Konkurrenz, also den anderen Diskos auf Ibiza?

Natürlich gab es zwischen den fünf Diskotheken auch öfter mal Konflikte, die jedoch meist nie in der Öffentlichkeit ausgetragen wurden. Das viel größere Problem ist, dass es auf Ibiza fünf Municipios gibt und jede Gemeinde andere Bestimmungen hat bezüglich Sperrzeit und Lizenzen.

Ibiza, Party und Drogen: Wie sehen Sie das?

Was ist die schlimmste Droge? Der Alkohol! Demnach war ich der größte Drogenverkäufer auf Ibiza. Dieser Gedanke bedrückt mich, denn Alkoholmissbrauch endet meist tragisch. Meinen letzten Gin-Tonic habe ich mit 18 Jahren getrunken. Da hatte ich einen so schlimmen Kater, vielmehr eine Vergiftung, dass ich nie wieder trinken wollte. Auch Drogen habe ich nie genommen. Was mich bei diesem Thema noch zusätzlich bedrückt, dass es gerade die schlimmsten Drogen sind, die legal sind. 

Wie konnten Sie so viel Disziplin entwickeln?

Ich habe einen empfindlichen Magen, deshalb trinke ich auch keinen Kaffee oder Cola. Menschen sind Gewohnheitstiere, ich habe nie etwas vermisst. Als mein Vater an Kehlkopfkrebs starb, hörte ich auch mit dem Rauchen auf. Vorher rauchte ich aber auch nur zwei Zigaretten am Tag, eine morgens und eine abends. Als es früher noch erlaubt war, im Club zu rauchen, war das sehr schlimm für mich, weil ich nicht richtig atmen konnten und weil alles stank, die Haare, die Kleidung.  

Tanzen Sie gerne? Gefällt Ihnen Technomusik?

Seit die Musik in den 90er-Jahren elektronisch wurde, hat die Nacht ihr Charisma verloren. Davor hatte jede Party Freude und Energie, heute klingt jede Nacht gleich. 

Was halten Sie von den Beachclubs, die auf Ibiza überall aus dem Boden schießen?

Ich würde am Strand jeglich Art von Musik verbieten. Am Meer soll man den Wellen zuhören und dem Wind.

Also bevorzugen Sie tatsächlich die Weite des Meeres vor der Enge der Tanzfläche?

Das Meer bedeutet für mich Freiheit. Hier gibt es keine Polizei, keine Ampeln, nur pure Natur und der Geruch des Meeres, der sofort meinen Nervenzustand ändert. In letzter Zeit bin ich doch recht nervös, weil sich mein Leben so verändert hat. 

Wenn Sie merken, dass Ihr Herzschlag unruhig oder schwach ist, können Sie ihn regulieren durch bewusste Atmung in den Bauch – wussten Sie das?

Ja, es geht um die Atmung. Deshalb ist für mich ein perfekter Tag auf Ibiza in den Bergen von San Joan oder am Meer. Was an Ibiza schön ist, dass es viele Hügel gibt – und damit auch viele Täler. 

Sind Sie jetzt eigentlich Kapitalist oder doch ein Hippie?

Als ich zum ersten Mal an den Salinas-Strand kam, das war 1968, waren da alle nackt. Ich mag keine Konventionen. Kleidung ist eine Unform. Wir leben sehr frei und sehr gut ohne Kleidung und ohne Konventionen! 

Señor Urgell, vielen Dank! 

Ricardo Urgell, Pacha-Gründer, im Interview
Ricardo Urgell, Pacha-Gründer, im Interview.

Das Gespräch führte Friederike Diestel

________________________________________

Wem gehört eigentlich das Pacha?

Trilantic Europe ist eine Private-Equity-Gesellschaft, die sich auf die Kontrolle und Mitkontrolle von Investitionen in führende mittelständische Unternehmen in Westeuropa konzentriert. Trilantic Europe verwaltet derzeit zwei institutionelle Fonds mit einem Gesamtkapital von 1,5 Mrd. Euro. 

Trilantic Europe hat eine lange Tradition in Europa und blickt auf langjährige Partnerschaften mit Managementteams, Unternehmern und Familienunternehmen zurück, um den Mehrwert zu suchen, der die Expansion des Unternehmens unterstützen kann. Anteile hält Trilantic Europe in Spanien u.a. an ITP, ein Hersteller von Flugzeugtriebwerkskomponenten, Euskaltel, ein Telekommunikationsunternehmen, sowie Talgo, ein Hersteller von Hochgeschwindigkeitszügen. Trilantic investiert im Unterhaltungssektor und hat außer auf Ibiza in Istanbul Doors investiert, eine High-End-Restaurant- und Ausgehkette mit Filialen in der Türkei und im Vereinigten Königreich. red

Text & Fotos: die
Copyright: Ibiza Kurier – Die deutsche Zeitung für Ibiza und Formentera

Erinnerungen an das Pacha

 

Erinnerungen an das Pacha

Erinnerungen an das Pacha

 

Erinnerungen an das Pacha

Widmung von Ricardo Urgell

 

Widmung von Ricardo Urgell

Erinnerungen an das Pacha

 

Erinnerungen an das Pacha

Mehr spannende und interessante Artikel und Nachrichten über Ibiza und Formentera finden Sie in unserem eKIOSK! Holen Sie sich noch heute die vollständige Ausgabe IK73, dafür bitte hier klicken!