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Bestandsaufnahme einer Hobby-Delfinforscherin: “Plastikmüll und Partyboote sind ein Problem”

Bestandsaufnahme einer Hobby-Delfinforscherin: “Plastikmüll und Partyboote sind ein Problem”

Die Holländerin Wietske Hoekstra lebt seit rund 30 Jahren auf Ibiza und ist am liebsten mit dem Schlauchboot auf dem Meer unterwegs. Dort beobachtet und studiert sie das Leben der Delfine. Sie kennt ihre Lebensräume und schaut, ob es ihnen gut geht.

Wietske ruft sie beim Namen, kennt ihren Charakter und pflegt so etwas wie eine persönliche Beziehung zu ihnen.

Der Schutz der biologischen Vielfalt der Gewässer um die Pityusen liegt der Hobby-Forscherin sehr am Herzen. Im Interview spricht sie über ihre Tätigkeit mit den sanftäugigen Meeressäugern, deren Lebensweise und die Bedeutung der Bestände der Neptungras-Wiesen (spanisch “posidonia”) um die Balearen.

Guten Tag! Seit wievielen Jahren widmen Sie ihre Freizeit den Meerestieren?

Ich bin regelmäßig aktiv draußen auf dem Meer seit etwa vier Jahren. Davor forschte ich in Büchern und lernte viele Dinge, besonders über die Delfine. Die Veröffentlichungen der “National Oceanic and Atmospheric Administration” (NOAA) sind bis heute meine Bibel, aus der ich Wissen schöpfe.

Was ist Ihr beruflicher Hintergrund?

Eigentlich arbeite ich in der Tourismusbranche. Aber meine wahre Berufung gilt dem Leben der Delfine.

Wieviele Delfine gibt es in den Gewässern um Ibiza und Formentera?

Ich kann keine bestimmte Gesamtzahl nennen, denn mit meinem Schlauchboot bin ich meistens an der südwestlichen Seite der Insel unterwegs. An den Stellen, die ich häufiger besuche, leben etwa 30 bis 50 Tümmler der Art Tursiops Truncatus

Sie beobachten die Tiere seit vielen Jahren. Was fasziniert Sie am meisten?

Sie sind wunderbare Lebewesen, die mich immer wieder überraschen und mir immer wieder aufs Neue zeigen, wie wenig wir über sie wissen. Ich würde gerne mehr forschen, besonders was ihre Kommunikationsfähigkeit angeht. Sie haben eine recht komplizierte Sprache, wenn man das mal so sagen darf. 

Sprechen Sie denn mit ihnen?

Es hängt von der Gruppe ab und womit sie sich gerade beschäftigen. Wenn sie gerade fressen oder schlafen, möchte ich sie nicht stören. Manchmal interessieren sie sich gar nicht für mich. Dann, in einem anderen Moment, kommen sie zum Boot, sind lebhaft, zeigen ihre Jungen und wollen Verstecke spielen. 

Delfine hören sehr gut und sind sehr aufmerksam. Wenn man mit ihnen spricht, wenden sie uns den Kopf zu und schauen uns an. Das Gefühl, welches sie vermitteln, kann ich fast nicht mit Worten beschreiben. Es ist eine Art hohes Bewusstseins, das sich wie Telepathie anfühlt.

Rufen Sie die Delfine beim Namen?

Ja. Sie haben alle eine unterschiedliche Rückenflosse, auf Englisch “dorsal fin”. Daran erkenne ich sie und entsprechend ist ihr Name. Zum Beispiel Thinfin oder Hookfin. Manchmal sagt der Name auch was über ihren Charakter aus, wie etwa bei Speedy oder Surprise.

Welche Rolle spielen die von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannten Seegras-Wiesen um die Pityusen in ihrem Leben? 

Sie sind ein außerordentlich wichtiger Part des gesamten biologischen Systems des Mittelmeeres, für die Delfine ebenso wie für viele Fischarten und andere Lebewesen.

Was fressen Delfine? Wo schlafen sie? Wie würden sich die Effekte von seismischen Messungen oder Öl-Bohrungen bei ihnen bemerkbar machen?

Sie fressen etwa 15 Pfund Fisch pro Tag: Makrelen, Heringe, Dorsche oder Tintenfische. Ihr Futter finden und jagen sie durch Echolot-Ortung. Was das Schlafen betrifft, bleibt das Gehirn der Delfine zu einem Teil im Bewusstsein. Sie treiben in einem halbwachen Zustand in Kreisen direkt unter oder an der Wasseroberfläche, um beim Schlafen gleichzeitig atmen zu können. Sie schwimmen langsam im Kreis und brauchen etwa acht Stunden Schlaf. Dieser sowie ihr Jagdverhalten werden von Krach und Lärm komplett gestört. 

Delfine gelten als sehr sozial und spielen gerne. Wie sollten wir Menschen sie behandeln, wenn sie uns begegnen? Was tolerieren und welches Verhalten kritisieren Sie?

Es muss nach ihren Regeln ablaufen. Das heißt, gehen Sie nicht näher ran, sondern lassen Sie sie herkommen! Nicht füttern, denn das könnte ihnen Schmerzen bereiten. Am besten ist es, Abstand zu halten, denn oft werden sie von der Bootsschraube verletzt. Plastikmüll und Partyboote sind ein Problem. 

Also am besten in Ruhe lassen?

Wir sind hier, um sie zu beschützen und ihre Lebensweise zu respektieren. Sie sind sehr einfühlsam und haben enge Bande zu ihren Freunden und Familien. Delfin-Shows als Touristenattraktion finde ich schrecklich! 

Örtliche Fischer und Spaziergänger berichten immer wieder von einzelnen toten Delfinen und sogar Haien, die leblos im Wasser treiben. Manche glauben, Druckluftkanonen zur seismischen Messung seien im Einsatz und daran schuld. Was sind Ihre Beobachtungen?

Einige Sommer sah ich mehr Delfine hier als in den Jahren zuvor. Ein befreundeter Biologe auf Mallorca bestätigt, dass um die Balearen auch immer mehr Wale unterwegs sind. Ob die Tiere tatsächlich ihre Habitate wechseln, kann ich nicht beweisen. Ich will weder falsche Infos noch Panik verbreiten, denn jedes Jahr sterben Delfine an irgendeinem Virus, Krankheiten oder Schiffsschrauben. Es ist wichtig, es dem Medio Ambiente im Consell und der Küstenwache zu melden, wenn man ein gestrandetes Tier entdeckt, damit die Experten es identifizieren und eine Autopsie machen können. 

Was ist Ihre Meinung zu Erdöl-Förderprojekten im Mittelmeer?

Ich werde sauer, wenn ich in der Zeitung lese, dass etwa Cairn Energy behauptet, dass Schallmessungen ganz leise und sanft beginnen, so dass die Tiere gewarnt würden und Zeit hätten, aus ihrem Habitat zu verschwinden. Delfine kommunizieren und leben über bestimmte Töne. Sie benutzen sie, um zu navigieren und zum Fressen. Airguns verursachen Schmerzen, Desorientierung und innere Blutungen. Selbst bei schwachen Schüssen können sie froh sein, wenn sie überleben. Der Schalldruck unter Wasser ist für sie über weite Distanzen zu spüren. 

Wieso fühlen wir Menschen uns von den Delfinen angezogen?

Sie vermitteln ein ganz besonderes Gefühl des Glücklichseins und des Sich-komplett-Fühlens, Reinheit und bedingungslose Liebe. Ich werde so traurig, wenn ich sehe, wie sie uns Vertrauen und Liebe schenken, und wir ihnen so hässliche Dinge antun. 

Manche nennen sie die “Engel des Meeres”. Stimmen Sie zu?

Ja, so nenne ich sie auch in meinem Youtube-Video “Angels of the Sea – Ibiza Dolphins”. Es gibt sie seit Millionen von Jahren auf diesem Planeten und da ist eine Menge Weisheit im Blick eines Delfins. 

Was können wir tun, um sie zu schützen?

Das Meer sauber halten und die Natur respektieren. 

Was würden Sie sich sonst noch wünschen?

Ich wünschte, es gäbe ein Meerestiere-Zentrum auf Ibiza, wo man sie 24 Stunden beobachten und schützen könnte. Und ich bin stolz auf all die Menschen, die für unsere Insel kämpfen und bete, dass wir es schaffen, sie zu retten!

Vielen Dank für das Gespräch! 

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Text: Friederike Diestel / Fotos: red
Copyright: Ibiza Kurier – Die deutsche Zeitung für Ibiza und Formentera 

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