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Techno als “Medium für sozialen Wandel und persönliche Freiheit” – Sven Väth über Ibizas Club-Landschaft und über Trends, die kommen und gehen 

Sven Väth über Ibizas Club-Landschaft und über Trends, die kommen und gehen 

In den pulsierenden Weiten der elektronischen Musiklandschaft erhebt sich daraus eine Gestalt wie ein lebendes Zeugnis der Evolution des Techno: Sven Väth. 

Seit den frühen Tagen der deutschen Rave-Szene hat der Frankfurter DJ und Produzent eine einzigartige Spur hinterlassen, die den Klang der Nacht neu definiert hat und eine ganze Bewegung verkörpert. Sein Name ist zu einem Synonym für Innovation, Ausdauer und unermessliche Leidenschaft für elektronische Klänge geworden. Tauchen wir im Interview mit dem IBIZA KURIER ein in die Geschichte einer Techno-Legende. 

Hola Sven! Ibiza steht oft im Mittelpunkt von Diskussionen über die Entwicklung der Clubszene und die Herausforderungen, denen die Insel gegenübersteht. Du kennst die Insel ja sehr gut. Wie siehst Du die aktuelle Situation?

Ibiza, oft als Epizentrum der globalen Clubszene betrachtet, erlebt zweifellos eine Zeit des Wandels, der Herausforderungen, aber auch der Resilienz. Meine Wahrnehmung der aktuellen Lage ist, dass die Clubs auf der Insel im Großen und Ganzen prosperieren. Jedoch ist nicht zu leugnen, dass sich das Clubgeschäft auf Ibiza über die Jahre stark gewandelt hat. Ein zunehmendes Angebot hat zu einem spürbaren Konkurrenzkampf geführt. 

Es scheint, dass ein Großteil der Clubs zunehmend eine Klientel anzieht, die bereit ist, für exklusive Erlebnisse tief in die Tasche zu greifen. Dies äußert sich unter anderem in überteuerten Getränkepreisen und einer teils überpräsenten, unfreundlichen Security. Trotz dieser Entwicklungen gibt es glücklicherweise auch kleinere Clubs, die sich diesem Trend nicht anschließen und für die die Essenz der Clubkultur – die Musik und das Tanzen – im Vordergrund steht. So bleibt die Insel ein pulsierender Ort, an dem die Tanzflächen lebendig bleiben und die Musik weiterhin das Herzstück der Erfahrung bildet.

Diesen Sommer hast Du im dritten Jahr in Folge Deine eigene Partyreihe im Akasha in San Carlos. Was bringt der Club mit?

Das einzigartige Ambiente des Las Dalias mit seinem Freiluft-Setting bietet den perfekten Rahmen, um in den Sonnenuntergang zu tanzen. Diese Atmosphäre ist geprägt von einer befreienden und ungezwungenen Stimmung, die es den Gästen ermöglicht, sich vollkommen der Musik hinzugeben und echte Verbindungen unter freiem Himmel zu knüpfen.
Der Übergang in den Club Akasha für den weiteren Verlauf der Nacht bietet eine nahtlose Fortsetzung dieses Erlebnisses. Mit seinem beeindruckenden Design und einer exzellent abgestimmten Akustik ermöglicht der Club eine immersive musikalische Erfahrung. Hier kann ich eine Atmosphäre schaffen, die durch ihre Intensität und Energie besticht. Die Möglichkeit, lange Sets von bis zu zehn Stunden zu spielen, verstärkt die intime und leidenschaftliche Verbindung zur Crowd. Es ist diese einzigartige Kombination aus Umgebung, Sound und gemeinschaftlichem Erleben, die den Akasha Club zum perfekten Schauplatz für unsere Zusammenkünfte macht.

Heutiger Techno bzw. wie er im Social Media stattfindet, scheint oft eine Frage des Outfits zu sein, während für viele die Musik scheinbar zweitrangig ist. Tracks müssen schnell sein und knallen. Langjährige Technofans rümpfen darüber die Nase. Du persönlich verwehrst Dich dem aktuellen Trend von 150 bpm-Tracks. Siehst du diese Entwicklung ähnlich kritisch oder entspannter?

Da bin ich entspannt. Trends kommen und gehen, Qualität bleibt. Zweifellos hat Social Media die Art und Weise, wie wir Musik konsumieren und erleben, signifikant verändert. Dabei ist es wichtig zu erkennen, dass Musik und Mode schon immer Hand in Hand gingen und sich gegenseitig beeinflussten. Der Sound, der momentan besonders von der jüngeren Generation gefeiert wird, erinnert an den Hardcore-Techno der frühen 90er-Jahre. 

Es ist eine Energie, die weniger auf das Tanzen als vielmehr auf das Ausleben von Energie und Wildheit abzielt. Dennoch ist Techno ein Genre mit vielen Facetten. In meiner Musik suche ich nach Groove und Spannung, nach einer Tiefe, die über das bloße „Abfeiern“ hinausgeht. Es geht mir darum, eine reichhaltige musikalische Erfahrung zu schaffen, die mehr Dimensionen umfasst als nur die Geschwindigkeit der Beats. Diese Vielschichtigkeit des Techno zu erhalten und zu fördern, ist mir ein Anliegen.

Als Vinyl-DJ musst Du Dir immer sorgfältig vorher überlegen, was in den Koffer kommt. Gibt es Platten, die Du jedes Mal dabei hast?

Korrekt, die Selektion und Vorbereitung sind ein wesentlicher Bestandteil meiner Arbeit. Tatsächlich sind meine zwei Plattentaschen zu 95% mit neuer Musik gefüllt, die es mir ermöglicht, mehr als zehn Stunden lang aufzulegen. Diese stetige Erneuerung des Repertoires spiegelt meine Leidenschaft für die Entdeckung und Präsentation frischer Klänge wider. Dennoch gibt es einige Platten, die einen längeren Verbleib in meinem Sortiment gefunden haben, teilweise spiele ich bestimmte Stücke sogar länger als ein Jahr. Diese Ausdauer beweisen meist Tracks, die sich als besonders zeitlos erwiesen haben. Darüber hinaus habe ich auch einige Klassiker – einschließlich meiner eigenen Produktionen – die ich in besonderen Momenten spiele. Diese Tracks dienen als musikalische Ankerpunkte, die nicht nur nostalgische Gefühle wecken, sondern auch tiefe emotionale Verbindungen mit der Crowd schaffen. Ihre Präsenz in meinen Sets, auch wenn sie vielleicht nur selten zum Einsatz kommen, bereichert die musikalische Reise und bietet Momente der Reflexion und des gemeinsamen Erlebens.

Als jemand, der einen enormen Einfluss auf die Techno-Szene ausübt über all die Jahre, wie siehst Du Deine Rolle bei der Unterstützung und Entwicklung neuer Talente? Gibt es junge Artists, deren Karriere Du besonders aufmerksam verfolgst?

Mit meiner Company, Cocoon Music Event, die dieses Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum feiert, habe ich das Ziel verfolgt, ein umfassendes Ökosystem für die Techno-Szene zu schaffen, das auf zwei Hauptsäulen beruht: der Veröffentlichung von Schallplatten und digitaler Musik sowie der Organisation von Veranstaltungen. Diese Struktur ermöglicht es uns, kontinuierlich nach neuen Talenten Ausschau zu halten und sie aktiv zu unterstützen. Wir betreuen Künstler wie Damiano von Erckert, Emanuel Satie oder Gregor Tresher, deren Potenzial wir erkennen und fördern. Diese Rolle sehe ich nicht nur als Teil meiner Verantwortung gegenüber der Techno-Gemeinschaft, sondern auch als eine Möglichkeit, die Vielfalt und Dynamik der Szene zu bereichern. 

Welche Rolle spielte Ibiza in Bezug auf Deinen internationalen Durchbruch als DJ?

Ibiza spielte natürlich eine entscheidende Rolle. Nicht zuletzt auch durch meine Veranstaltungsreihe “Cocoon Ibiza“, die ich über 20 Jahre auf der Insel präsentierte, hatte ich die einzigartige Möglichkeit, meine Vision von Techno und House-Musik in einer Weise auszudrücken, die anderswo kaum möglich gewesen wäre. Die Insel bot den idealen Nährboden, um innovative musikalische Konzepte und außergewöhnliche Partyerlebnisse zu realisieren, die mein Verständnis und meine Liebe zu dieser Musikform widerspiegelten. Diese Plattform hat nicht nur mir, sondern auch einer ganzen Generation hervorragender DJs ermöglicht, unsere Botschaft weltweit zu verbreiten. Ibiza erwies sich als ein kraftvolles Sprungbrett, das uns die Chance gab, kompromisslose Feierkultur auf höchstem Niveau zu zelebrieren und gleichzeitig eine globale Gemeinschaft von Gleichgesinnten zu inspirieren und zu verbinden. 

Du hast 2022 bei der Eröffnung der Tesla-Gigafactory Berlin gespielt. Elon Musk und Du hattet sichtlich Spaß. Hast Du ein Feedback von ihm auf die Schallplatte bekommen, die Du für ihn gemacht hast?

Das Auflegen bei der Eröffnung der Tesla-Gigafactory Berlin war ein bemerkenswertes Erlebnis, vor allem, da die Gäste hauptsächlich Angestellte des Unternehmens waren, was der Veranstaltung eine einzigartige Atmosphäre verlieh. Elon Musk, bekannt für seine visionären Ideen und Projekte, beeindruckte mich erneut mit seiner Sicht auf Techno, die er als „Maximum Human“ beschrieb. Dieses Konzept fand ich besonders faszinierend, da es den Kern dessen trifft, was Musik – und insbesondere Techno – für viele darstellt: eine maximale Ausdrucksform menschlicher Kreativität und Verbundenheit. Was das Feedback zur exklusiven Schallplatten-Compilation angeht, die ich speziell für ihn zusammengestellt und dessen Cover von meinem Sohn Tiga gestaltet wurde, bleibt ungewiss. Da ich nicht direkt mit Elon in Kontakt stehe, kann ich nicht bestätigen, ob er die Gelegenheit hatte, sie zu hören. Dennoch war es eine Ehre, diese persönliche Note mit ihm zu teilen, und die Hoffnung besteht, dass die Musik irgendwann ihren Weg zu ihm findet und Inspiration oder Freude stiftet.

Fährst Du auch einen Tesla? Was ist Deine Meinung zur E-Mobilität? 

Obwohl ich selbst keinen Führerschein besitze und derzeit einen Kraftstoff-betriebenen Wagen halte, stehe ich dem Konzept der Elektromobilität grundsätzlich positiv gegenüber. Die Bewegung hin zu elektrisch betriebenen Fahrzeugen ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer nachhaltigeren Mobilität. Allerdings ist mir bewusst, dass die Elektromobilität in ihrer aktuellen Form noch nicht die vollständige Lösung für die Probleme unserer Verkehrs- und Umweltbelastung darstellt. 

Die Produktion von Batterien verbraucht erhebliche Mengen an Energie und Ressourcen, und die Herkunft dieser Energie ist nicht immer nachhaltig. Zusätzlich wirft die Gewinnung der notwendigen Rohstoffe für Batterien Fragen hinsichtlich Umweltauswirkungen und Menschenrechten auf. Nur durch einen ganzheitlichen Ansatz kann man die Herausforderungen der Elektromobilität bewältigen und einen wahren Fortschritt in Richtung einer umweltfreundlicheren Zukunft erzielen. Ich hoffe, das wird funktionieren.

Dein Label feiert dieses Jahr 25-jähriges Jubiläum mit der “Year of The Dragon“-Welttournee. Was ist die Mission für das nächste Viertelhundert?

Die “Year Of The Dragon“-Tour ist meine persönliche Weltreise im Frühling, 25YCOCOON hingegen feiert den Anlass mit einer Reihe von internationalen Veranstaltungen. Unser Leitspruch für die kommenden Jahre bleibt denkbar einfach und doch kraftvoll: Wir machen weiter!

Im Februar begann für die Chinesen das neue Mondjahr, das Jahr des Roten Drachen. Was ist da Deine Verbindung dazu? Bist Du ein spiritueller Mensch?

Das chinesische Mondjahr des Holzdrachen, bekannt für seine Assoziation mit Stärke und positiver Energie, findet bei mir einen besonderen Anklang. Diese Attribute des Drachen spiegeln sich in meiner persönlichen und musikalischen Reise wider. Die Musik, eine lebenslange Leidenschaft und Berufung, hat mich im Laufe der Jahre zu einem spirituellen Menschen geformt. Sie ist nicht nur Ausdruck meiner Kreativität, sondern auch ein Medium, durch das ich tiefe emotionale und spirituelle Erfahrungen teile und erlebe.

Kunst war immer eine Ausdrucksform von Protest, dem Aufbäumen gegen die Konventionen. Hat Technomusik heute noch etwas Revolutionäres an sich, wie etwa in den 1990ern, als sie zum Ende des Kalten Krieges in Europa vom Geist der Freiheit durchdrungen war, und als Techno und House die Mauern in den Köpfen der Menschen einbrechen ließen?

Technomusik bewahrt sich bis heute ihr revolutionäres Potential. Unsere Botschaft, die auf Toleranz, Respekt und Liebe basiert, grenzt sich bewusst vom Mainstream ab und bleibt kompromisslos in Musik und Feierkultur. Auch heute stehe ich fest zu diesen Werten und fördere Techno als Medium für sozialen Wandel und persönliche Freiheit. Die revolutionäre Seele der Technomusik zu vereinen und zu befreien, bleibt stark und relevant.

Herzlichen Dank für Deine Zeit!

Das Interview führten Friederike Diestel und Matthias Daniel

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Text: Friederike Diestel und Matthias Daniel / Fotos: Daniel Woeller
Copyright: Ibiza Kurier – Die deutsche Zeitung für Ibiza und Formentera 

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