fbpx

Für Schlangen ist Ibiza ein kulinarisches Schlemmerparadies – Eine frisst etwa 500 Eidechsen – Privatleute und Umweltsc  

Eine frisst etwa 500 Eidechsen – Privatleute und Umweltschutzgruppen schlagen Alarm

Timotheus Freytag lebt seit 1984 auf Ibiza und ist wie kaum ein anderer Inselresident damit beschäftigt, die Menschen über die heimische Natur und Tierwelt aufzuklären. 

Diese ist nach seiner und der Einschätzung viele anderer Umweltschützer bedroht, vor allem endemische Vogelarten, aber auch die possierlichen Eidechsen, das Wappentier Ibizas. 

Seine spezielle Mission ist der Kampf gegen die Schlangen, die sich seit einigen Jahren invasiv auf der Insel ausbreiten. Natürliche Fressfeinde müssen sie nicht fürchten und so verbreiten sich die Reptilien rasend schnell. Eine Natter kann pro Jahr gut zehn Eier legen. Ibiza ist für Schlangen ein wahres kulinarisches Schlemmerparadies.   

In den vergangenen Jahren hat Timotheus unterschiedlichste Erfahrungen gesammelt, wie sich Ibizas Tierwelt seit der Ankunft der Schlangen verändert hat. Die ersten Exemplare wurden in den Wurzelballen von Olivenbäumen eingeschleppt, die nach Ibiza vom Festland importiert wurden. 

Vor zwölf Jahren gründete er aufgrund der zunehmenden Zahl von Schlangensichtungen und wachsender Besorgnis eine Facebook-Seite, um relevante Informationen aus den lokalen Nachrichtenartikeln, etwa im Diario de Ibiza, ins Englische zu übersetzen. Damit wollte er “das Bewusstsein für die potenzielle Bedrohung schärfen”. Schon damals war ihm klar, dass die Insel “auf eine ökologische Katastrophe” zusteuert. Heute, über ein Jahrzehnt später, stehen die pityuschen Eidechsen auf der Liste der gefährdeeten Tierarten. Viele Inselbewohner bestätigen, dass sie die putzigen Tierchen nur noch selten zu Gesicht bekommen. “Das Interesse seitens der Öffentlichkeit wuchs, stieß bei den Behörden aber leider weitgehend auf taube Ohren”, berichtet Timotheus. 

So haben sich die Schlangen im Laufe der Jahre über die ganze Insel verbreitet und sind eine Gefahr in “unserem fragilen Ökosystem”.

Die Reptilien begannen etwa ab dem Jahr 2001 unentdeckt auf die Insel zu kommen, meist in den Pflanzkübeln von Bäumen und Pflanzen, die für Gartencenter und private und öffentliche Landschaftsbauprojekte bestimmt waren.

“Erst 2016 wachten die Behörden auf und erkannten, dass sie handeln mussten.” Seitdem findet auf Ibiza ein einzigartiges “Schlangenfangexperiment” statt. Die Gruppe um “Snakes on Ibiza – No Thank You“ wuchs und gewann Fahrt. 

Dabei ist das Kind schon lange in den Brunnen gefallen: Die Zahl der Schlangen wächst exponentiell. Sie ernähren sich hauptsächlich von der Eidechsenpopulation der Insel. Diese beiden Reptilien, das eine klein und naiv, das andere groß und verstohlen, sind sehr ungleiche Gegner, was sich an den tödlichen Jagdmustern der Schlangen zeigt. 

Ihre durchschnittliche Lebensdauer beträgt 20 Jahre und während dieser Zeit verzehrt eine einzelne Schlange etwa 500 Eidechsen und frisst je nach Alter und Reife auch Eier, Nagetiere, Vögel, Kaninchen und Kätzchen. Ausgewachsen kommt sie auf eine Länge von bis zu 2,5 Meter.

Sie sind scheu und zurückhaltend, bewegen sich meistens unbemerkt voran und sind aus diesem Grund schwer zu stoppen: “Die Leute denken oft, dass sie keine Schlangen haben, aber tatsächlich haben sie eine. Sie müssen einfach überprüfen, ob sie noch Eidechsen haben.” 

Im Mittelmeerraum bringt eine Schlange jährlich im September gut ein Dutzend Babys hervor. Sie passen sich schnell an die Welt an und beginnen sofort, ihre eigene Nahrung zu jagen, hauptsächlich Insekten.

Die meisten Arten können zwei Jahre nach der Geburt Nachwuchs produzieren. 

Im Jahr 2020, als eine wachsende Zahl von Insulanern von Sichtungen berichtete und um Hilfe rief, beschloss Timotheus, “dem Thema nicht nur Zeit an der Tastatur zu widmen, sondern sich körperlich zu engagieren”. Dabei ist es vielleicht schon zu spät: “Die Eidechsen der Pityusen stehen jetzt auf der Liste der gefährdeten Arten der EU.” 

In den vergangenen Jahren hat er Betroffenen nicht nur Informationen und Ratschläge, sondern auch zahlreiche Fallen und Mäuse, die als Köder dienen, bereitgestellt. 

“Ich habe mit Hunderten von Menschen gesprochen und viele persönliche Geschichten gehört. Ich habe spezifische verwandte Themen recherchiert. All dies schafft ein Bild, wohin diese Geschichte führen wird, wenn wir nicht handeln, nämlich viel weitreichender, als wir es uns derzeit vorstellen können.” 

Die Devise lautet: “Wir müssen jetzt handeln, und wir müssen gemeinsam handeln.” Da er nur wenig Hoffnung auf Unterstützung seitens der Behörden setzte, schloss er sich kurzerhand selbst mit einem Schreiner zusammen, um Fallen zu gestalten, zu bauen und Betroffenen zur Verfügung zu stellen. 

Mittlerweile ist noch ein zweiter Zimmermann an Bord, der sich bereit erklärt hat, seine Zeit freiwillig zu opfern und Schlangenfangkästen zum Selbstkostenpreis herzustellen. 

Dabei verwenden sie Reste von Holzplatten, die sie recyceln, “weil die Kosten für neues Holz beträchtlich sind”. In den vergangenen zwei Jahren lieferten sie rund 220 Kisten an Standorte auf der ganzen Insel. “Unsere Gruppe ist jetzt fast 100 Trapper stark. Wir haben Chat-Gruppen eingerichtet, um auf dem Laufenden zu bleiben. Diese werden streng für bestimmte Zwecke verwaltet, und wir bilden jetzt Untergruppen nach Regionen, um eine genauere Organisation zu ermöglichen.”

Die Boxen enthalten zum Zeitpunkt der Lieferung Einstreu, Mäuse, einen Wassernapf und Futter – und sind zum Selbstkostenpreis erhältlich. Es gehe ihm nicht ums Geldverdienen, im Gegenteil: “Ich schieße alles aus eigener Tasche vor”, erklärt der Schlangenjäger. 

Die genaue Anzahl der bislang gefangenen Schlangen ist nicht genau bekannt. Einige Fallen fangen keine und andere fangen 5 bis 40 Schlangen pro Saison. Da unsere Fallen an Leute gehen, die Erfahrungen mit Schlangen auf ihrem Grundstück haben, können wir sagen, dass wir im Durchschnitt höhere Fangraten haben, vielleicht 3 bis 5 Schlangen pro Kiste. Wir haben demnach zwischen 660 und 1.100 Schlangen pro Saison gefangen. “Denken Sie daran, dass jede Schlange 500 Eidechsen und andere Wildtiere verzehrt – dies entspricht einer Rettung von 330.000 bis 550.000 Eidechsen.” 

Mai, Juni und Juli sind extrem wichtige Monate für die Schlangenjäger, denn es ist die Zeit, wenn die Tiere aus ihrer Winterstarre kommen und auf der Suche nach Opfern ihre Verstecke verlassen. 

So haben Timotheus und sein Team von freiwilligen Helfern derzeit alle Hände voll zu tun. Ständig klingelt das Telefon. Nicht nur Privatleute rufen an, auch Hotelbetreiber und Geschäftsleute. Kürzlich fiel einer Frau in einem Gartenrestaurant in Santa Eulalia ein stattliches Exemplar aus einem Baum direkt in den Schoß – und das mitten im städtischen Gebiet. Selbst in den höheren Stockwerken von Häusern mitten im Ortskern wurden schon welche entdeckt. Schlangen sind gewandte Kletterer, wodurch sie einfach bis zu den Vogelnestern gelangen. Gesichtet wurden auch schon schwimmende Exemplare im Meer. Gefährdet sind damit die Vogelbestände auf den kleinen Felseninselchen zwischen Ibiza und Formentera, auf die sich die Vögel normalerweise zum Brüten zurückziehen. 

Die Wintermonate nutzte Timotheus, um knapp 300 Mäuse zu züchten. “Ich habe auch anderen gezeigt, wie man züchtet. Und Gehege für sie gemacht, weil sie als Köder ein wichtiger Bestandteil unseres Fangprozesses sind.”

Timotheus verbringt viele Stunden am Tag damit, auf Anrufe, Anfragen und Feedback zu antworten. All dies zusätzlich zu der Zeit, die er für Besprechungen, Fundraising und Fallenbau aufwendet.

Stolz ist er auf die Neugestaltung und Entwicklung einer größeren Allwetter-Fangbox: “Die Nachfrage nach der neuen Kiste wächst und das Feedback ist positiv.” Da Mäuse in größeren Familiengruppen am glücklichsten sind, können in diesen Boxen bis zu 30 Mäuse untergebracht werden. Die Erfolgsformel ist einfach: “Mehr Mäuse, mehr Geruch, mehr Aktivität – das bedeutet eine höhere Chance, Schlangen zu fangen.”

Sein größter Wunsch ist eine noch stärkere Beteiligung der Bevölkerung. “Wir brauchen Einzelpersonen und Unternehmen, die sich engagieren, insbesondere diejenigen mit Land.” Besorgniserregend seien aktuell die Zonen um San Antonio, Santa Eulalia, San Mateo, San Juan, Portinatx und Xarraca, “aber San Lorenzo war schon immer das Epizentrum”. Hier wurden seinerzeit die ersten Exemplare entdeckt. 

Es gibt mittlerweile noch weitere Ibiza-Organisationen, die sich dem Thema widmen. Ungefähr 4.000 Fallen wurden von COFIB, der Asociacion de Cazadores, der Plattform SOS Sargantanes, Gen-Gob und Amics de la Terra in Umlauf gebracht. Insgesamt konnten dank ihrer Bemühungen rund 14.000 Schlangen gefangen werden. “Wir müssen jedoch mehr tun, viel mehr”, betont Timotheus. 

“Wo immer wir ein Gebiet von Schlangen säubern, werden wir Zeuge, wie die Eidechsen zurückkehren”, zeigt er sich zuversichtlich. Jedoch dürfe man diese Gebiete dann nicht unkontrolliert lassen, weil die Schlangen sonst wiederkommen: “Die Realität ist, dass es weit mehr Schlangen gibt, als wir physisch sehen.” 

Daher sei es “wichtig und dringend, dass wir so schnell wie möglich, so effizient wie möglich und so billig wie möglich” viele weitere Fallen auf Grundstücken aufstellen. “Mein Ziel ist es, das Projekt vollständig finanziert zu bekommen. In diesem Fall würde ich die Aufgabe für die nächsten 5 bis 10 Jahren in Vollzeit übernehmen.” Ein gemeinnütziger Verein ist gerade im Aufbau und das Team wächst. 

Die Umweltinitiative COFIB arbeitet derzeit an dem Prototyp einer “Schlangenbarriere”, die wie ein Zaun funktionieren und das Grundstück zu einem “echsensicheren Bereich” machen soll. 

“Wir suchen aktiv nach Konzepten für Schlangenbarrieren, die sich über Kilometer erstrecken, wodurch Schlangen der Zugang zu bestimmten Gebieten abgeschnitten wird, um so ihre Ausbreitung zu stoppen”, erklärt Timotheus. Zuvor fand man Schlangen in größerer Zahl vor allem im Norden Ibizas, “aber jetzt bewegen sie sich langsam an der Mitte der Insel vorbei in Richtung Süden.”

Sein größter Wunsch ist, Ibiza wieder zu einer schlangenfreien Insel zu machen, so wie es früher der Fall war. “Wir wissen, dass es eine große Aufgabe ist, aber nichts ist unmöglich, wenn wir das zusammen angehen.” Timotheus versteht sich als Schlüsselfigur, die in der Lage ist, Menschen durch positive Logik, fundierte Fakten und praktisches Denken mit gesundem Menschenverstand “zu bewegen und zu inspirieren” – ganz zu schweigen davon, in großen Dimensionen und über den Tellerrand hinaus zu denken.

Fallen aufstellen 
Zur Deckung der Materialkosten haben kleine Fallen einen Selbstkostenpreis von 35 Euro. Das große neue Design “Snake Trap 2.0 Reloaded“ kostet 90 Euro. Wer unabhängig davon an die Initiative spenden möchte, hilft aktiv bei der Reduzierung der Schlangen auf Ibiza, denn es können mehr Fallen aufgestellt und größere Konzepte realisiert werden.  Bei großen Villen, Grundstücken und Hotels/Agroturismos ist das Aufstellen von vier bis zehn normalen plus ein oder zwei großen Fallen erfolgreicher als nur die Positionierung von einer oder zwei Fallen.

Kontakt & Infos
Timotheus Freytag Tel.: 696 197 372
Facebook-Gruppen zum Austausch von Betroffenen und Tipps:
StopIbizaSnakes
Snakes on Ibiza no Thank You – Serpientes en Ibiza no Gracias
Ibiza Snake Trappers Community
IbizaWildlifeProtection 

Hier geht´s zu diversen Angeboten für Schlangenzangen und Zubehör