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Retrospektive: Nach psychischem Tief wie neu geboren – dank Ibiza! – Armin Kauls Reisebericht: Eindrücke als Baby, Teenager und Erwachsener (Teil 2)

Armin Kauls Reisebericht: Eindrücke als Baby, Teenager und Erwachsener (Teil 2)

Der Bungalow Park kam mir 2016 etwas abweisend vor. Ich hatte mich auf die Suche gemacht nach den Häusern, wo wir früher im Urlaub wohnten, aber es war alles eingemauert und man hörte auch sehr aggressive Hunde.

Es müsste dort gewesen sein, wo früher der Laden „Tio Tom“ war. Ich konnte nicht viel wiedererkennen und habe mich auch nicht sehr wohl gefühlt. Bin dann an der unteren Seite vom Bungalow Park entlang gegangen, aber einige Leute guckten blöd, was ich dort zu suchen hätte. Na gut, hängt vielleicht mit der Kriminalität zusammen, dass die sich so einmauern, und die konnten ja nicht wissen, dass ich da früher oft gewesen bin. 

Außerdem gab ich wahrscheinlich kein gutes Bild ab, denn ich war zu Fuß aus Es Canar gekommen, hatte mich noch verlaufen und sah dementsprechend runtergekommen aus.

Da haben sie wohl gedacht, ich wäre ein Einbrecher. Auf Ibiza werden die Einheimischen wahrscheinlich so „heimgesucht“, dass sie keinen Bock mehr haben, sich von den „Touris“ die Plantagen zertrampeln zu lassen. Das war schon auffallend, dass die ganzen Felder hoch eingezäunt sind – aber ich will auch nicht wissen, was da in der Saison los ist.

Für mich war auffällig, dass sich die touristische Gesellschaft verändert hat. Waren es früher mehr Hippies und Aussteiger, die bekifft irgendwo abhingen, sind die Leute heute mehr auf Selbstoptimierung, Fitness und Gesundheitsbewusstsein orientiert, und natürlich auf Geld.

2002 waren wir den ganzen Monat da, bei Juan Ferrer Colomar in den Apartamentos Pae des Camp, wie zu alten Zeiten. Wenn ich bei Oskar an der Bar am Aguas Blancas vorbeikam, dann rief er mir immer etwas zu. Er kannte mich ja schon, seit ich Kind war.

Eines Tages saßen ein paar Anzugträger in der Strandbar und musterten mich argwöhnisch. Ich setzte mich zu dem Dealer, der da immer saß und ignorierte die Typen, die mich so anstarrten. Dann kam meine Mutter an der Bar vorbei, und Oskar rief auf spanisch zu den Typen: “Ja, das ist Armin, der hat nichts, aber seine Mutter, die hat!“

Sie läuft tatsächlich immer mit einer Markentasche für ein paar Hundert Euro an den Strand, 

um ihre Sonnencreme und das Handtuch zu transportieren, und denkt nicht daran, für Strandräuber interessant zu werden. Etwas später kam ein Schwarzer zu ihr, relativ fein gekleidet, mit Aktentasche, und verwickelte sie in ein Gespräch.

Ich bin raus, um zu hören, was der will, und er wollte wohl, dass sie in irgendwas investiert, oder ausloten, ob sie dazu bereit wäre. Der sagte immer was von „Hier stehen demnächst ein paar hundert Liegestühle und das kostet Geld, alles kostet Geld“.

Anscheinend hatte er gehofft, dass sie Englisch spricht und konnte ihr das auf Deutsch nicht klarmachen, was er wollte. Ich habe mir das eine Weile angehört und zuerst unbeteiligt getan und ihn dann auf Englisch gebeten, uns in Ruhe zu lassen. Wahrscheinlich hatte Oskar erzählt, dass meine Großeltern da früher mal Land kaufen wollten, und dadurch waren ein paar Leute hellhörig geworden. 

Es ist schon manches härter geworden, da darf man sich nicht täuschen lassen, wenn man Jahrzehnte nicht mehr da war. Meine Schwester wurde Anfang der 2000er Jahre ausgeraubt, hätte ich sie mal gewarnt. Wo in Ibiza-Stadt heute die Fähre nach Formentera abfährt, waren früher hinter den Häusern noch „wilde“ Parkplätze. Da hingen Typen rum, die dir eine Parklücke zeigten und dann dafür Geld haben wollten. 

Da habe ich mal einem 100 Peseten gegeben, weil ich dachte, dass er mir sonst die Reifen zersticht. Meine Schwester hatte sich in einem anderen Jahr vor eine Garage dirigieren lassen, was ja schon zweifelhaft ist zum Parken, und aus der Garage kamen dann ein paar Leute, die sie bedrohten und ihr alles abnahmen. Dumm gelaufen…

Obwohl ich nur bruchstückhaft Spanisch verstehe, ging ich sonntags gerne in die Bars, wo die Einheimischen sind. Etwa in Es Canar, gegenüber vom Bus, in so einer Kaffeebude, wo ich einen Veterano bestellte. Da fragte mich ein Einheimischer: „Bist Du Rechtsanwalt?“, dann fing er an, zu erzählen, wie teuer alles geworden ist. Er habe mit seinen Kindern sonntags Essen gehen wollen, im „Can Pep, altes ibizenkisches Restaurant“, wo er 300 Euro bezahlen musste. 

Dazu kam noch, was sie gerade im Fernsehen zeigten, nämlich die Abwasserprobleme. Da wurde im TV auf Ibiza der Hafen von Vueltas auf La Gomera gezeigt, und als ich wieder in Deutschland war, habe ich über verschiedene Themen recherchiert. Es gibt da zwei Reportagen bei Youtube über die „Kanaren, Inseln der Arbeitslosen“ und eine ähnliche über die Balearen. Da wurde mir das klar, dass es dort auch richtige Armut gibt und Elendsviertel. Auch die Rettung der Posidonia hatte es mir angetan und ich thematisierte das in verschiedenen Facebook-Gruppen, jedoch kam dazu gar nichts, keine Antwort, kein „Daumen hoch“, nichts. Deshalb bin ich ganz weg aus Facebook, habe alles gelöscht und vermisse es auch nicht. Damit sind die Probleme zwar nicht gelöst, aber ich muss mich wenigstens nicht ärgern.

Jedenfalls hat Ibiza mir nach vielen Jahren wieder geholfen, auf die Beine zu kommen. Ich war in einem psychischen Tief, weil ich eine Arbeitsstelle verloren hatte und nur auf der Couch rumlag. Dann sah ich zufällig im Internet einen Flug nach Ibiza für 80 Euro. Weil der Flieger erst spät ankam, waren die Busse schon weg. Taxi war mir zu teuer, deshalb bin ich ans Meer gegangen und habe da am Strand übernachtet. Es war so schön – nach kurzer Zeit fühlte ich mich wie neu geboren!

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Text: Armin Kaul / Fotos: red
Copyright: Ibiza Kurier – Die deutsche Zeitung für Ibiza und Formentera 

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