Diente den Puniern das Blei aus den San Carlos-Minen für ihre Geschütze?
“Lost Places” und kulturhistorisch bedeutende Ecken auf Ibiza: Die “Mines de s’Argentera”
Die sich am Ortsrand des ibizenkischen Dörfchens San Carlos befindliche stillgelegte Minenanlage zählt laut der Heimatkundeseite Mennta.es zu den “geschichtsträchtigsten Orten” der Urlaubsinsel.
Trotzdem war kaum ein Tourist je hier und selbst die am Ort ansässigen Einheimischen wissen nur wenig über die Geschichte der Anlage. Nur selten verirrt sich mal eine Schulklasse an den verwunschenen Ort, der es in der Liste der sogenannten “Lost Places” auf Ibiza sicherlich auf einen der vordersten Plätze schaffen würde.
Zwar hat das Kulturamt am Las Dalias-Kreisel kürzlich burgunderfarbene Schilder aufstellen lassen, die den Weg zu der Sehenswürdigkeit weisen sollen, doch biegt man in den steilen und steinigen, wenn auch kurzen Camino ein, endet dieser abrupt inmitten einer Baumgruppe. Ab hier lässt es sich leider weder direkt erkennen, wo entlang der Pfad zu den Minen führt, noch gibt es weitere Schilder, die dabei helfen könnten, die Anlage zu finden.
Dabei liegt sie tatsächlich nur wenige Schritte von der Landstraße entfernt, die von Santa Eulalia nach San Carlos führt, und rechterhand von der Kreisel-Abfahrt nach Es Canar. Wer beim Fahren darauf achtet, kann schon von der Straße zwischen den Bäumen einen kurzen Blick auf die Kamine erhaschen, die meterhoch in den Himmel ragen.
Wasseradern geboten dem Bergbau Einhalt
Die Geschichte des Bergbaus, welcher in den s’Argentera-Minen betrieben wurde, reicht mehrere Jahrhunderte zurück. Das in diesem Gebiet vorzufindende Kulturerbe stellt eines der bedeutendsten Überbleibsel der Insel aus der punischen Epoche dar.
Obwohl der Erzabbau zur Zeit der Punier begann, wurden die Stollen besonders zu Zeiten der Römer genutzt. Im Jahre 2003 wurde die verfallene Anlage nahe des kleinen Dorfes San Carlos zum archäologischem Kulturgut erklärt.
Infolge eines Bergbaugesetzes, welches im Jahre 1869 erlassen wurde, sowie der erhöhten Nachfrage nach den Rohstoffen wurde die Förderung in den darauffolgenden Jahren immer effektiver. Zehn Jahre später waren neun Stollen in Betrieb und zehn weitere in der Erkundung. Das Schürfen war zu jener Zeit sehr lukrativ: Mit jedem Doppelzentner Blei wurde etwa eine Unze Silber verdient, wie Mennta.es berichtet.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts traten in etwa 30 Metern Tiefe Wasseradern auf, welche den Abbau erheblich erschwerten und zu stark erhöhten Kosten führten. Die Nova Minera Eivissenca SA pachtete das Bergwerk 1903, bis es schlussendlich 1909 zum Niedergang des Betriebs kam. So scheiterte ein Versuch, eine neuentdeckte Zinnober-Ader zu erschließen.
Obwohl es in den Jahren 1947 und 1952 zu weiteren Abbauversuchen kam, blieben diese erfolglos. Überreste aus dieser Zeit sowie die Eingänge zu mehreren Schächten und Betriebsgebäuden sind bis heute gut zu erkennen.
Prägnant zu erkennen ist der unterspülte Baum direkt an der Straße, unter dem sich ein beachtlicher Hohlraum gebildet hat. Dort steht auch das Schild mit dem Hinweis “Mines de s’Argentera” in weißer Aufschrift.
Der Parkplatz macht keinen vertrauenserweckenden Eindruck: Schutt, Unrat und Autoteile zieren den Ort. Man muss sich beherzt durch einen Busch hindurchschlängeln, um rechts die Gebäudereste und Ruinen auszumachen.
Gaben die Bleikugeln den Balearen ihren Namen?
Die Bleiminen südlich von San Carlos sollen ihren Anfang in der Punierzeit haben. Vermutlich leitet sich sogar der Name der gesamten Balearen-Inselgruppe von den hier früher gewonnenen Bleikugeln ab, die im Punischen (und im Spanischen bis heute) als “baleas“ bezeichnet wurden.
So ist das Gebiet des “Silberhügels“ Puig Argentera von zahlreichen Stollen und Schächten, teilweise augenscheinlich hohen Alters, unterhöhlt. Mit ihnen hat sich der deutsche Geologe Thomas Krassmann intensiv beschäftigt. Vererzungen – im wesentlichen Bleiglanz und Zinkblende, seltener auch Manganoxide, Zinnober und nesterförmige Anreicherungen von Kupferkarbonaten – finden sich sowohl schichtgebunden als auch in flach nach Norden fallenden Kluft- und Gangsystemen in den hier söhlig liegenden triassischen Kalksteinen.
Bei der Begehung des hochinteressanten Geländes ist Vorsicht geboten. An vielen Stellen, besonders in der Nähe der Zechenhäuser mit ihren markanten Schornsteinen, weisen frische Pingen und Erdeinbrüche auf noch nicht abgeschlossene Verbruchsprozesse unter Tage hin. Während die Stollen sich in mehreren Galerien an der Flanke des Puig Argentera hinziehen, befinden sich etwa 30 Schächte ziemlich regellos über das gesamte Gebiet verteilt. Sie sind häufig durch sehr Ibiza-typische, etwa brusthohe, runde Steinmauern gesichert. Leider wurden in den letzten Jahren viele Schächte als willkommene “Müllschlucker“ benutzt.
Bei der Suche auf den kleinen Halden kann leicht Calcit in Form von Kristallrasen und sinterartigen, schön gebänderten Krusten gefunden werden. Ebenfalls häufig sind in den Halden entlang der Stollengalerien blätterige Schwerspataggregate.
Als “Haupterz“ lassen sich ockerrote, kalkige Massen finden, in denen sich eingesprenkelte Körner eines schwarzen Minerales – das sich röntgenographisch als Goethit identifizieren ließ – befinden. Es existieren mehrere bis zu 1,50 m breite senkrecht stehende Gangspalten in diesem Gebiet, aus denen früher Kalksinter gewonnen wurde. Zahlreiche der hier noch vorhandenen großen Blöcke lohnen das Anschleifen, stellenweise lassen sich auch freigewachsene Calcitgruppen bergen. Quelle: Thomas Krassmann (www.mineral-exploration.de)
Die Anlage ist nicht weit entfernt und nicht zu verfehlen, wenn man die Schornsteine im Auge behält. Immer weiter hinein in den Wald führen verschlungene Pfade, die zu mysteriösen Hügeln, Schächten und tiefen Löchern in der Erde führen. Wohl sind einige der Schächte zugeschüttet worden aus Sicherheitsgründen, andere sind mit Zäunen versehen. Beim Hinabblicken kann es einem schnell schwindelig werden. Sie sind so tief und so dunkel, dass ein Sturz ins Bodenlose den sicheren Tod bedeuten würde.
Ein Teil des ansonsten eingefallenen Hauptgebäudes scheint bewohnt. Man sieht Wäsche, die zum Trocknen aufgehängt ist, Blumenkästen und -töpfe hinter einer Holztür, und weitere Anzeichen dafür, dass jemand das verfallene Gebäude als Unterkunft gewählt hat.
Quellen
www.mineralienatlas.de
www.mineral-exploration.de
www.mennta.es
www.untertage.com
Parken
Auf dem Las Dalias-Parkplatz das Auto abstellen und zurücklaufen bis zum Kreisel. Dort den burgunderfarben Schildern mit weißer Schrift folgen. Die letzten Meter am besten mit Hilfe eines GPS-Handys erkunden.
Im Wald herrscht trotz der Nähe zur Landstraße eine himmlische Stille, nur unterbrochen vom Zwitschern der Vögel und dem Rauschen des Windes in den Bäumen. Selbst im heißen Sommer ist der Aufenthalt sehr angenehm, da immer eine leichte Brise durch die verfallenen Mauern zieht.
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Text: Friederike Diestel/ab / Fotos: die/my
Copyright: Ibiza Kurier – Die deutsche Zeitung für Ibiza und Formentera
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