“Wegen meiner Beschwerden bin ich schon mit der roten Karte vom Platz geflogen”
Nachwuchs-Fußballer Victor Lochmann ist immer am Ball – von Berlin bis auf die Balearen
Victor Lochmann ist 23 Jahre alt und Berufsfußballer. Er kommt gebürtig aus Berlin, pendelte aber gemeinsam mit seinen Eltern bereits in der Kindheit regelmäßig zwischen Deutschland und Ibiza.
Seit drei Jahren lebt er fest auf der Insel und verbringt die meiste Zeit – rund fünf bis sechs Stunden täglich – auf dem Fußballplatz. Victor spielt aktuell mit dem Team von C.D. Inter Ibiza in der „Tercera División“ und machte in seiner Jugend schon Halt bei weiteren bekannten Clubs, darunter dem deutschen Bundesligisten Hertha BSC und Unión Deportiva Ibiza (UD Ibiza).
Wir treffen den Nachwuchs-Profi in der Sportanlage von Santa Eulalia und sprechen mit ihm über seine bisherigen Erfolge, seine Zukunftswünsche und die Bedeutung von Disziplin und mentalen Einstellungen im Fußball.
Hallo Victor! Das letzte Mal, als wir Dich getroffen haben, hast Du in der zweiten Mannschaft von UD Ibiza gespielt. Mittlerweile hast Du den Verein gewechselt und spielst bei Inter Ibiza CD. Wie kam es zu dieser Veränderung?
Schuld war Corona. Am 9. März 2020 wurde die Saison gestoppt. Für meine Mannschaft war das ein Tiefschlag, denn wir hatten sechs Spiele hintereinander gewonnen und ich war zu diesem Zeitpunkt der beste Torschütze. Der zweite Tiefschlag folgte kurze Zeit später: Die Mannschaft wurde aufgelöst, da UD Ibiza den Club San Rafael als 2. Mannschaft hochgezogen hat. Unsere Spieler verteilten sich auf andere Mannschaften, was sehr schade war. Ich wollte zu San Rafael gehen, aber da waren schon 25 Spieler. Deshalb bin ich zu Atletico Jesus gewechselt und die Mannschaft stabilisierte sich. Als ich kam, war sie auf dem letzten Platz. Auch in diesem Team und sogar beim Copa Regional Ibiza-Formentera insgesamt wurde ich Torschütze. Ich bekam dann die Chance, in der Liga 3a RFEF bei Inter Ibiza zu spielen.
Welche Ziele verfolgst Du im Fußball?
Ich möchte internationaler Profi werden und habe bereits Kontakte in verschiedene Länder. Mich würde es auch sehr reizen, einmal außerhalb Europas in einer Liga zu spielen. Beispielsweise in China gibt es viele deutsche Trainer. Hier auf Ibiza sind aber auch sehr viele ausländische Spieler aktiv, vor allem aus Südamerika.
Welchem Verein drückst Du privat die Daumen?
Tja, als Berliner natürlich dem Hertha BSC. Hier auf Ibiza allen, bei denen ich gespielt habe. Ich verfolge die Vereine immer im Internet und gebe meine Kommentare. Generell interessieren mich meine alten Clubs und ich hoffe, sie erzielen gute Ergebnisse.
Was hast Du aus der Zeit bei UD Ibiza mitnehmen können?
Ein gutes Mannschaftsfeeling – das ist nicht normal auf Ibiza. Hier gibt es sehr viel Bevorzugung von Lieblingsspielern, was man bei einzelnen Clubs dann am Tabellenplatz sieht. Aus den Mannschaften in Deutschland kenne ich das „knallharte Leistungsprinzip“. Mich stört es nicht, wenn der Trainer auch mal Klartext spricht. Hier sind viele Spielerkollegen dann beleidigt.
Welche Person im Sportbereich inspiriert Dich am meisten und warum?
Beim Fußball natürlich Cristiano Ronaldo. Der ist mittlerweile 38, das gab es früher nicht. Da war mit 32 Schluss. Da ich als Jugendlicher auch international Tennis gespielt habe, unter anderem in Aserbaidschan und Tunesien, inspiriert mich auch Rafael Nadal. Sie sind beide sehr disziplinierte Sportler. Aber ich kenne auch aus meinem Umfeld gute Sportler, mit denen ich in Kontakt stehe und mich freue, wenn sie wieder ein Turnier gewonnen haben oder international antreten.
Kannst Du vom Fußball leben?
Nein. Durch Corona ist das sowieso schwer geworden, weil viele Sponsoren gekürzt haben. Auf Ibiza sind das besonders Gastronomen und Diskos, bei denen es hoffentlich 2022 wieder anfängt. Viele Mannschaften haben Spieler verloren, die vom Festland kamen. Ich habe während Corona damit begonnen, meinen Internetauftritt zu verstärken und war als Blogger aktiv. Ich wollte auch einen Shop für Fußballartikel mit Kollegen auf der Insel aufmachen, die dann aber leider doch den Kopf in den Sand gesteckt haben.
Was gefällt Dir am meisten an Ibiza?
365 Tage Training im Freien sind ein Traum für jeden Sportler. Am Meer bin ich selten. Ich kenne auf Ibiza viele andere Sportler wie Radfahrer oder Leichtathleten. Sie alle sind zufrieden mit den Möglichkeiten auf der Insel. Das Party-Leben interessiert mich weniger. Ich gehe aber gerne in Restaurants, mir gefällt das internationale Publikum.
Woher kommst Du aus Deutschland und vermisst Du etwas aus der Heimat?
Ich komme aus Berlin-Wannsee, wo meine Mutter immer noch lebt. Die Großstadt vermisse ich vor allem im Winter. Ich habe mein Bachillerato in Barcelona gemacht und fand die Großstadt am Meer cool. Drei Jahre habe ich dort gewohnt. Da ich ständig im Ausland war, habe ich auch immer ausländische Freunde gehabt. In Berlin habe ich ein paar Lieblingsrestaurants und bedauere es manchmal, dass ich da nicht hingehen kann.
Womit vertreibst Du Dir auf Ibiza Deine Zeit, wenn Du nicht am Ball bist?
Ich versuche, mich selbst auf meinen sozialen Netzwerken zu „pushen“. Ich übe auch kleine Jobs aus, die mir angeboten werden, da ich drei Sprachen perfekt spreche und durch meine Zeit in Barcelona Katalanisch verstehe. Außerdem schaue ich viele Sportvideos auf YouTube. Früher habe ich Tennis gespielt und war ein guter Skateboarder. Einer meiner Freunde aus Ibiza hat einen Skateboard-Shop in Ibiza-Stadt. Da mache ich momentan aber weniger. Man kann nicht alles machen.
Wann und wieso hast Du mit dem Fußballspielen begonnen?
Begonnen habe ich mit sieben Jahren in Berlin beim FV Wannsee. Mit zehn Jahren habe ich bei PE Sant Jordi Ibiza gespielt. Ich wechselte damals schnell in höhere Mannschaften, weil die Trainer mich haben wollten. Bei Hertha Zehlendorf bin ich als Jugendspieler von der 4. Mannschaft direkt in die 1. Mannschaft gewechselt. Der Verein ist in Berlin führend in der Fußballjugend.
Was ist Deine größte Stärke und was Deine größte Schwäche auf dem Spielfeld?
Ich bin ein sehr laufstarker und schneller Spieler, das ist meine Stärke. Meine Schwäche ist Ungeduld, zum Beispiel, wenn die Hintermänner den Ball nicht rechtzeitig spielen. Dann motze ich hin und wieder, was mir bereits Verwarnungen durch die Schiedsrichter eingebracht hat. Wegen meiner lautstarken Beschwerden bin ich auch schon mit einer roten Karte vom Platz geflogen.
Wie hältst Du Dich privat fit?
Neben dem Fußball gehe ich ins Fitnessstudio und jogge, aber ich achte auch auf meine Ernährung. Ich koche selbst gerne, zum Beispiel Huhn oder Fisch, den ich auf dem Markt in Santa Eulalia oder in den Frische-Abteilungen der Supermärkte kaufe.
Was ist Deiner Meinung nach der Schlüssel zum Erfolg?
Der Wille und die Disziplin sind der Schlüssel, aber natürlich ist auch Talent wichtig. Ich rauche nicht und trinke keinen Alkohol, bin also kein „Wunschkunde“ für Diskotheken und Bars auf Ibiza.
Hast Du ein bestimmtes Ritual, das Du vor (wichtigen) Spielen durchführst?
Nein. Unsere Mannschaft trifft sich vor dem Spiel und bereitet sich vor. Ich esse vorher oft Nudeln oder Bananen und trinke Getränke, die für die 90 Minuten nützlich sind.
Welche Tipps würdest Du jungen Spielern, die von einer Karriere als Fußballer träumen, mit auf den Weg geben?
Den Trainer zu nehmen, der wegen „Strenge“ am unbeliebtesten ist. Ich persönlich bin mit diesen schnell voran gekommen. Außerdem sollten auch mal andere Sportarten ergänzt werden, wie Leichtathletik, Skaten oder auch Tennis als Individualsport.
Von wem würdest Du selbst noch gerne ein paar Ratschläge bekommen?
Immer gerne von guten Trainern und Menschen, die sich um Sportmedizin kümmern. In meiner Zeit in Barcelona an der Sportakademie CAR in Sant Cugat war das ein wichtiges Thema. In der Schule gab es mehrere Ärzte und Physiotherapeuten, die Kontrollen machten und zu denen man gehen konnte, wenn etwas nicht stimmte.
Was war der bisher schönste Moment Deiner Fußballkarriere?
Wenn ich bester Torschütze werde. Aber auch, wenn meine Internetprofile plötzlich hohe Aufrufe hatten, mehr als die anderer Spieler. Das war glücklicherweise oft der Fall. Eines meiner Tor-Videos vom Oktober 2021 wurde 1.2 Millionen mal aufgerufen. Das schafft mancher Erstliga-Profi nicht und da habe ich mich gefreut. Schön war auch, wenn ich neu in einer Mannschaft war und mein erstes Tor schoss.
Gab es Zeiten, in denen Du an Deinem Weg gezweifelt hast? Falls ja, wie hast Du Dich davon befreit?
Ich hatte gute, aber leider auch schlechte Trainer. Das war frustrierend, weil man immer an die guten Trainer denkt. Die Schlechten waren oft keine „Macher“. Ein guter Trainer rastet am Spielfeldrand mal aus und lobt danach wieder lautstark. Die anderen setzen gerne ihre „Lieblinge“ ein, was schwierig ist, da die Mannschaft erstens das Ziel nicht erreicht und absteigt, und zweitens, weil man immer an sich zweifelt und sich fragt, warum man nicht spielt. Ich habe alle Arten von Trainern erlebt. Man muss immer für den Wechsel bereit sein.
Muchas gracias und weiterhin toi, toi, toi!
Hier geht´s zum YouTube-Video mit Victor Lochmann
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Text: Friederike Diestel / Fotos: Privat/red
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