Retrospektive Ibiza in den 70ern: Erich Ribbeck, ein roter Liegestuhl und String-Tangas – Armin Kauls Reisebericht: Eindrücke als Baby, Teenager und Erwachsener (Teil 4)
Armin Kauls Reisebericht: Eindrücke als Baby, Teenager und Erwachsener (Teil 4)
Rechts runter, am Familienstrand, gab es eine Strandbar. Darin waren zwei Typen, die mich immer an die von der Sesamstrasse erinnerten: ein Dunkler mit Afro-Frisur und ein Weißer, wie Gordon und Bob.
Die Sesamstraße war ja sehr umstritten. Als sie nach Deutschland kam, wurde sie als Haschisch für Kinder bezeichnet. Aber die zwei in der Strandbar waren so. Außerdem gab es dort Chupa Chups, das waren Lutscher – und da war immer ein Tattoo-Aufkleber dabei. Die kosteten vielleicht 70 Pfennig und gingen nach drei Tagen ab. Wir Kinder zeigten uns immer ganz stolz das Tattoo, und wie gut es noch war.
Später gab es auch eine Surfschule am Strand von Es Figueral. Die erregte vor allem deshalb Aufsehen, weil die Surflehrerin einen String-Tanga trug. Da waren Karin, die Surflehrerin, immer im String-Tanga (also ein gehäkeltes Stoffdreieck mit drei Strippen) und Erik, ein Holländer mit wilder schwarzer Lockenmähne. Er trug meistens die Slips seiner Freundin als Badehose, die gerade mal das Nötigste bedeckten. Und dann war da noch Luciano, ein etwas älterer, abgedrehter Italiener. Der hatte ein Motorboot und machte Wasserski-Kurse. Die Touristen waren allerdings genervt von der Wasserskischule, weil Luciano das Meer mit Bojen abgetrennt hatte, wo es nicht ratsam war, zu schwimmen, weil er da mit seinem Boot hin und her raste.
Für Außenstehende war er nervig, weil laut und etwas ungehalten. Ich hatte ihm mal was auf dem Boot geholfen, da war er ausgerastet, weil ich zu nah an eine Boje herangekommen war: “Nicht mit dem Propeller an Boje!“ Aber hauptsächlich war er ein lustiger Typ, besonders wenn er abends zu faul war,
das Boot an den Strand zu ziehen. Dann nahm er auf dem Wasser Anlauf und jagte mit Vollgas ans Ufer in der Hoffnung, dass das Boot so weit hoch auf den Strand rutschte, dass er es nicht mehr schieben musste.
Außerdem war dort immer Götz, der auch aus der Stuttgarter Gegend kam wie Karin. Er hatte eine Kneipe und eher eine Nebenrolle am Figueral, aber sollte später noch für mich wichtig werden, weil er mir das Segeln beibrachte.
Weil die Väter aus meinem Umfeld immer ein Auge auf Karin hatten und einen Grund suchten, sich da in der Nähe aufzuhalten, um den String-Tanga zu sehen, wurde ich auf die Surfschule aufmerksam und konnte meine Eltern überreden, dass ich zehn Stunden Surfunterricht nehmen durfte.
Aufsehen erregte dabei vor allem die „Pinkelstellung“. Weil man beim Windsurfen die Taille nach vorne zum Segel strecken muss, wie ein Mann beim Pinkeln, wurde das 50-mal am Tag mit dem Megafon ausgerufen, wenn einer falsch „op de Plank“ stand.
Die Surflehrerin hatte einen etwas größeren roten Liegestuhl und saß da den ganzen Tag mit dem Megafon und rief oft „Pinkelstellung“ aufs Meer – was natürlich Assoziationen bei den Strandbesuchern weckte. Bei den Familienvätern hatte sie den Spitznamen „Knacki“, und wenn ein Familienfoto gemacht wurde, versuchte mancher, eine Perspektive zu finden, auf der der Po von „Knacki“ zufällig mit auf dem Bild war.
Manche Aussteigerinnen versuchten, mit dem Verkauf von gehäkelten String-Bikinis Geld zu verdienen. Der Umsatz war im rechten Teil, am Familienstrand, aber eher gering. Links, bevor man zu dem großen Felsen mit der Anlegestelle kommt, lagerten viele Franzosen, und weil die Männer dauernd mit ihren Zodiac-Gummibooten und Harpunen auf dem Wasser unterwegs waren, langweilten sich deren Frauen am Strand und freuten sich umso mehr, wenn mal eine Strandverkäuferin mit Textilien vorbei kam.
Immerhin hatte ich relativ schnell Surfen gelernt und durfte dann manchmal Bretter „zurück surfen“. Wenn wieder mal jemand verloren auf dem Meer trieb, fuhr Erik mich mit dem Motorboot dahin und ich durfte dann das Surfbrett zurück zum Strand fahren.
Später durfte ich dann auch mit dem Megafon im roten Liegestuhl sitzen und irgendwas aufs Meer hinaus rufen. Wenn die anderen was trinken gingen, durfte ich mir zur Gegenleistung immer ein Surfbrett nehmen, wenn eines frei war.
Deshalb lungerte ich also den ganzen Tag an der Surfschule herum, habe morgens die Segel aufgeriggt und abends haben wir sie wieder abgebaut und den Strand hochgetragen.
Prominentester in der Runde war Erich Ribbeck, Co-Trainer der deutschen Fußballnationalmannschaft von 1978 bis 1983 und in der Zeit häufiger am Figueral anzutreffen. Ein ruhiger Typ, der sich auch im Windsurfen versuchte, es dann aber seinem Sohn überließ und Pfeife rauchend am Strand stand, um sich das anzusehen. Wenigstens kann ich mich nun für den Rest meines Lebens damit rühmen, dass ich mir mal Erich Ribbecks Surfbrett ausgeliehen habe und darauf in der Bucht von Es Figueral herumgefahren bin.
Es gab auch mal eine Regatta für die Windsurfer. Die sollten in Form einer „8“ um die beiden Felsen vor der Bucht surfen. Erik nannte sie die Tamo-Tiki-Felsen. So weit raus war ich noch nicht gesurft und deshalb insgeheim ein bisschen froh, eine „administrative Aufgabe“ am Strand bekommen zu haben. So konnte ich mich ein wenig amüsieren, wie sich die Surfer abmühten. Letzter war übrigens mein Onkel, der es nach vier Stunden geschafft hatte, die Felsen zu umrunden. Als ich es dann selbst versuchte, kam die Erkenntnis, dass es wirklich keine leichte Aufgabe war, zwischen den Felsen durch zu surfen und so wurde es meine tägliche Herausforderung, die ideale Runde um die Tamo-Tiki-Felsen zu finden.
Irgendwann wohnten wir nicht mehr im Bungalow Park, sondern bei Juan in den Apartments Pae des Camp. Die Strandbar in der rechten Hälfte vom Figueral war nicht mehr da, nur noch die Bude von Juan, zwischen Pepe und dem Meer. Der Zufall wollte es, dass bei Juan ein Mitarbeiter ausgefallen war,
der hatte sich einen Knochenbruch zugezogen. Juan hatte drei Mitarbeiter, zwei junge Typen an der Bar und einen „alten“ in der Küche.
Aber dann kam die Zeit, wo wir mehr am Aguas Blancas waren und nicht mehr am Figueral, da war dann Sa Plana angesagt.
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Text: Armin Kaul / Fotos: Mapcarta/CC
Copyright: Ibiza Kurier – Die deutsche Zeitung für Ibiza und Formentera
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