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“Man kann die Ratten tagsüber sehen, wie sie über die Stromkabel laufen”

Die Bewohner der knapp 65 Häuser an der Punta Grossa haben die Schnauze voll

Punta Grossa – Einige von ihnen leben erst seit zwei Jahren an der Punta Grossa, andere nennen den Villenhügel im Norden Ibizas oberhalb der Cala San Vicente schon seit über 50 Jahren ihr Zuhause. 

Überwiegend Ausländer wohnen in dem noblen Viertel, darunter viele Deutsche, Belgier, Holländer oder Franzosen. Sie schätzen vor allem die üppige Natur, die die Bucht zu bieten hat, und die Ruhe weit ab vom Touristentrubel des Südens. 

Etwa 65 Häuser gibt es hier. Doch mit dem Frieden und der Beschaulichkeit ist es seit einiger Zeit vorbei, weshalb die Anwohner auf die Barrikaden gehen. 

Nicht nur ließ die Gemeindeverwaltung sämtliche Abfallcontainer an der Punta Grossa von ihren bisherigen Plätzen im Wohngebiet entfernen und an eine einzige Sammelstelle verlegen, wodurch nun viele Bewohner gezwungen sind, das Auto zu benutzen, um den Müll wegzubringen, auch heizen täglich dutzende Mietwagen mit verirrten Urlaubern die Serpentinenstraße rauf und unter, weil sie den Strand Aguas Blancas suchen oder den Weg zur Leuchtturm-Ruine. 

Die fehlerhafte oder fehlende Beschilderung sorgt dafür, dass die meisten hier irrtümlich landen. “Etwa 70% der Fahrzeuge, die hier jeden Tag vorbeikommen, wollen gar nicht hierher“, berichtet ein Nachbar. 

Oft herrscht deswegen gefährliches Verkehrschaos, ganz zu schweigen von dem Krach und den Beschädigungen an der steilen Küstenstraße, die durch das hohe Verkehrsaufkommen entstehen. 

Die Anwohner fühlen sich trotz mehrfachen Vorsprechens beim Ayuntamiento von der Verwaltung im Stich gelassen: “Will man uns nicht ernst nehmen, weil wir Ausländer sind?”, fragt einer der Betroffenen. 

Auch dem Vorstand der 1990 gegründeten “Asociación de Vecinos de Punta Grossa” ist die Problematik bekannt. In der Vergangenheit konnte der Nachbarschaftsverein bereits etliche Erfolge vorweisen, wenn es um die Lösung von ähnlichen Problemen ging, etwa bei den Verhandlungen mit den Hotels in Cala San Vicente und Es Figueral zur Lärmreduzierung, bei Maßnahmen zur Brandprävention, der Anbringung von Schildern zur Geschwindigkeitsbegrenzung oder der Durchsetzung regelmäßigen Pflanzenschnitts zur Verbesserung der Sicht. Die Straßensanierung, die 2019 Angriff genommen wurde, “blieb aber im Ergebnis enttäuschend”, so der Vizepräsident Prof. Dr. Thomas Kuchenbuch-Henneberg. 

Thomas Henze wohnt ganz oben an der Punta Grossa, wo er im Jahr 2000 mit seiner Frau Christine ein Haus baute: “Seitdem erleben wir, was hier mit unseren Abgaben an die Gemeinde passiert, nämlich nichts.”

Dabei zahlen die Eigentümer hier zusammen mit Na Xamena die höchsten Steuern im Gemeindebezirk Sant Joan. Komischerweise seien die Wege, wo Einheimische Ferienhäuser vermieten, völlig in Ordnung und in einem Top-Zustand, während hier “die Löcher immer nur notdürftig geflickt wurden”. Auch die alte Straße nach Portinatx wurde kürzlich komplett neu asphaltiert, obwohl dort nur sehr wenige Häuser sind und nur wenige Autos langfahren. 

“Eine vernünftige Straße hatten wir nie”, klagt Henze. Der Belag leide unter jedem Regenguss, jedem Wasserwagen, der hoch muss, und durch die Touristen, die “den von der Gemeinde als schönen Aussichtspunkt beworbenen Leuchtturm suchen”. Zumal der Weg zum Faro “halsbrecherisch” und nur “für geübte Wanderer” sei. 

Durch einen Fehler bei Google Maps suchen zudem „mindestens 100 Leute am Tag mit Badesachen und Schwimmreifen” im Gepäck den Strand Aguas Blancas. “Wir sind dadurch belästigt. Manchmal kommen wir mit unserem Auto selber nicht mehr durch.“

Das führt nicht nur zu gefährlichen Wendemanövern, auch hinterlassen die Touristen oben am Berg ihren Müll und ihre Notdurft. “Keiner kommt hier hoch zum Saubermachen”, und den Müllplatz, der hier vorher war, habe man auch “wegrationalisiert”. “Wir machen selber sauber, weil es optisch nicht zu ertragen ist”, sagt Henze. 

Am alten Müllplatz wurden die Nachbarn wenigstens nicht durch Krach und Gestank belästigt, “ein nicht zu ertragender Zustand”, wie er meint. 

Juliane lebt seit acht Jahren in der Punta Grossa. Auch sie ist genervt von der maroden Straße, dem Müll und den verirrten Touristen. Einer ihrer Hauptkritikpunkte ist das schlechte Internet: “Unten in der Bucht hat man Glasfaser verlegt, damit die Hotels gutes Internet haben. Uns Residenten hier oben am Berg hat man vergessen. Dabei sind viele wie ich beruflich auf gutes Internet angewiesen”, berichtet sie. 

Uli, der schon über 30 Jahre am Berg wohnt, geht es vor allem um die Sicherheit: “Hier ist eine 30er-Zone, aber keiner hält sich dran.” Die kurvenreiche Straße ist immer wieder blockiert von Urlaubern, die die schöne Aussicht genießen. Immerhin reicht der Blick von hier bis nach Mallorca oder Tagomago. 

Bevor sie um die engen Kurve fahren, wird zwar zur Warnung oft gehupt, aber Uli ist frischgebackener Großvater und wünscht sich Spiegel, Poller oder Pflanzkübel, um die Geschwindigkeit der Fahrzeuge zu drosseln und die Sicherheit für die Anwohner zu erhöhen: “Meinen Enkel kann ich unter diesen Umständen auf keinen Fall auf der Straße spielen lassen.” 

Zumal das Gehupe gewaltig nervt: “Am Berg hallt alles. Sogar wenn bei jemandem eine Gabel runterfällt, hört man das”, sagt Juliane. Rebecca, die seit knapp zwei Jahren hier wohnt, pflichtet ihr bei: “Dadurch, dass wir hier wie in einer Art Amphitheater wohnen, hört man jedes Geräusch. Obwohl wir ziemlich weit oben liegen, höre ich es, wenn Flaschen in den Glascontainer geworfen werden. Auch der Krach des Müllwagens, der morgens um 6 Uhr zum Abholen kommt, nervt.”

Felix, der seit 2001 in der Punta Grossa lebt, hat immer wieder Fremde auf seinem Grundstück: “Wir sind eine reine Anliegerstraße, wo es nur zwei Häuser gibt.“ An seinem Haus geht der Weg zum Leuchtturm entlang, ein etwa 50 Zentimeter breiter Pfad: “Ich will die Touristen nicht verteufeln, aber ich will auch nicht ständig Fremdenführer spielen.” 

Der Blick sei tatsächlich gigantisch, “und ich möchte niemandem die Freude daran nehmen”, aber die Situation müsse eben für alle akzeptabel gestaltet werden. 

Abel ist Spanier und war gerade mit dem sieben Jahre dauernden Umbau einer Ruine zur Ferienvilla fertig, als ihm die Gemeinde die neue Müllsammelstelle vor die Tür platzierte, wo jetzt alle Anwohner vom Berg ihren Abfall hinbringen müssen. “Es stinkt, die Ratten sind überall und der Krach macht es mir unmöglich, das Haus zu vermieten”, schimpft er. Nach zwei verlorenen Corona-Sommern fehlen ihm dieses Jahr nun erneut die Einnahmen aus der Vermietung.

“Man kann die Ratten sogar tagsüber sehen, wie sie über die Stromkabel laufen”, bestätigt Udo, der neben Abel wohnt. “Wenn hier ein Politiker leben würde, wäre die Infrastruktur sofort gemacht”, meint er lakonisch. “Wir haben auf eigene Initiative 30er-Schilder angebracht, aber die bringen nichts. Unser Wunsch ist eine konstruktive Kommunikation mit dem Ayuntamiento. Es geht uns nicht nur darum, nur zu kritisieren, sondern konstruktiv zur Lösungsfindung der Probleme der Punta Grossa beizutragen”, betont er. 

Udo wünscht sich eine schnellstmögliche Ausbesserung der Straße, “um weitere Schäden an Straße, Gebäuden und Fahrzeugen zu verhindern.” Zur Gefahrenabwendung sei im oberen Bereich eine Leitplanke zwingend erforderlich. 

So haben die Anwohner nicht nur ihr eigenes Wohlbefinden im Sinn, sondern auch das der Urlauber: “Wir wünschen uns eine schnellere Beseitigung von herabgestürzten Felsen und Bäumen, um die Sicherheit von Touristen unten am Strand nicht unnötig zu gefährden.” 

Der Weg zum Leuchtturm sei in einem “desolaten Zustand und lebensgefährlich”, werde aber weiterhin als Sightseeing-Highlight beworben. “Hier wäre es sehr empfehlenswert, entweder den Weg zu sperren oder verkehrssicherer zu machen”, meint Udo. 

Man wünsche sich, “auch im Sinne des Tourismus”, eine nicht vermüllte und ansehnliche Punta Grossa: “Unser Vorschlag ist, die alten Container-Standorte wiederherzustellen”, zumal das Schild am alten Sammelplatz zwangsläufig dazu führt, “dass hier immer noch Müll frei abgeladen wird”, auch wenn der Müllwagen gar nicht mehr bis nach oben fährt, um den Abfall mitzunehmen. 

Auch sei es wenig ökologisch oder nachhaltig, die Bewohner zu zwingen, den Weg zur neuen Sammelstelle (vor Abels Villa) im Auto zurückzulegen.

“Wir sind hier keine unerheblichen Steuerzahler für Sant Joan und wünschen uns eine ansehnliche Punta Grossa im Einklang mit der Gemeindeverwaltung”, betont Udo. 

Fred, ein Belgier, der sich vor zwei Jahren in der Punta Grossa ein Haus kaufte, um sich zwischendurch auf Ibiza vom Stress in seiner Firma zu erholen, hat sich mittlerweile extra einen Jeep zugelegt. Ohne das geländetaugliche Fahrzeug wäre er aufgrund der vielen Löcher in der Straße gar nicht in der Lage, sein Heim zu erreichen.

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Text: Friederike Diestel / Fotos: red
Copyright: Ibiza Kurier – Die deutsche Zeitung für Ibiza und Formentera 

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