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Retrospektive Ibiza in den 70ern: Autos mit dem Kran in den Schiffsbauch verfrachtet

Armin Kauls Reisebericht: Eindrücke als Baby, Teenager und Erwachsener (Teil 6)

In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre trieb es viele Aussteiger und Hippies nach Ibiza, aber auch sogenannte „Besserverdienende“ folgten dieser Welle. Auf den ersten Blick gab es dort nur zwei Klassen: Ärzte, Ingenieure und Lehrer – oder Freaks.

Was den Anlass dazu gab, kann ich nur erahnen. Zum einen gab es vermutlich Literatur und Filme, die möglicherweise die Reiselust beflügelten. Vielleicht war es die US-Kultur, die nach dem Krieg nach Europa schwappte. Was mich prägte, waren Filme von den „Hobos“, die illegal auf Güterzügen durch die Welt reisten, später Bücher wie „Unterwegs“ von Kerouac und die legendäre Reise von Ken Kesey und den Pranksters, die mithalfen, diesen Lifestyle zu begründen, während das Verständnis für solche Unternehmungen in der ländlichen Provinz der Nordeifel nur gering war.

In den Anfängen machten wir uns auf den Weg mit dem Flugzeug. In der ersten Etappe ging es von einem deutschen Flughafen nach Barcelona und dann mit kleinen Propellermaschinen nach Ibiza.

Wir Kinder hatten vermutlich noch kein Empfinden für Gefahr, zumindest habe ich nur positive Erinnerungen an das Fliegen.

In den Iberia-Flugzeugen wurde „richtig gekochtes“ Essen serviert, das mit echtem Metallbesteck verzehrt wurde. So mancher Löffel wurde dabei sicher mitgenommen und ist vermutlich heute noch in einigen deutschen Besteckschubladen zu finden. Mich als Kind faszinierten eher die Postkarten mit den Flugzeugen, die man kostenlos mitnehmen konnte und die von mir jahrelang ehrfürchtig aufbewahrt wurden.

Älteren Leuten zufolge muss diese Reiseart noch als eher abenteuerlich empfunden worden sein, denn es kursieren wahre Horrorgeschichten, besonders über die „Spantax“, eine Fluggesellschaft, die von ehemaligen Mitarbeitern der „Iberia“ auf Teneriffa gegründet worden war.

Anfangs beförderte sie Bohrgeräte und Personal zu den Ölfeldern in der spanischen Sahara und bot später auch Charterflüge für Touristen an. Sie erwog sogar die Anschaffung einer Concorde, um Touristen von Skandinavien mit Überschallgeschwindigkeit auf die Kanarischen Inseln zu bringen.

Speziell in Deutschland geriet die „Spantax“ allerdings schnell in ein schlechtes Licht.

Ich erinnere mich an jemanden, der erzählte, dass vor dem Start im Flugzeug Wasser von der Decke tropfte, und als er das Personal darauf aufmerksam machte, erhielt er die Antwort: „Ist nicht schlimm, wenn wir oben sind, gefriert das.“

Ebenso gibt es Geschichten von Reisenden, die bei der Landung beobachten konnten, wie auf dem Flugplatz die Feuerwehr anrückte, um einen Schaumteppich zu sprühen. Tatsächlich ereignete sich 1978 auf dem Flugplatz Köln-Bonn die berühmte „Spantax-Landung“, eine „Bauchlandung“, weil die Piloten vergessen hatten, das Fahrwerk auszufahren. Nachdem die Fluggesellschaft 8 von 14 Flugzeugen

bei Zwischenfällen verloren und dabei 248 Menschen getötet hatte, musste sie 1988 Konkurs anmelden.

Irgendwann waren Flugreisen in meiner Familie nicht mehr so beliebt. Vielleicht lag es an der Energiekrise der 1970er Jahre. So begannen wir, mit dem Auto nach Ibiza zu fahren. Für uns, im Rheinland, bedeutete das, dass wir uns zuerst stundenlang durch die Eifel, Luxemburg und Nordfrankreich quälten, bis wir bei Dijon die Autobahn erreichten.

Wenn wir Glück hatten, schafften wir es an diesem Tag noch bis zum Rand der Provence und legten eine Übernachtung ein, in einem dieser typisch französischen Hotels mit tapezierten Türen und dem Klo auf dem Flur.

Das ist übrigens der Grund, warum französische Hotelzimmer, trotz allem Charme, immer einen leichten Uringeruch aufweisen, denn dort ist es üblich, ins Waschbecken zu pissen, damit man nicht in das kalte Treppenhaus gehen muss.

Am zweiten Tag ging es dann auf dieser Rhône-Autobahn weiter, die ich deshalb bis heute hasse, abgesehen vom Tunnel von Lyon, der mich faszinierte, und natürlich mussten wir immer noch einen Abstecher nach Avignon machen, um dort die halbe Brücke anzusehen. Spätestens am Pont du Gard war Frankreich dann aber auch fast wieder vergessen, denn Spanien kam in Sicht!

Von da an war es nur noch ein Katzensprung bis zum Grenzort Le Perthus und den schäbigen Vororten von Barcelona. Die nächste Herausforderung war dann für meinen Vater am Steuer, den Weg zur Estación Marítima zu finden.

Wenn wir dann endlich an der Kolumbussäule standen, waren wir quasi schon „im Urlaub“. Noch ein kurzer Spaziergang über die Ramblas, wo sich die Nutten zum Dienst bereit machten, um etwas zu essen und die Zeit bis zum Einschiffen zu vertreiben.

Auf die Autobesitzer wartete dann aber gleich das nächste Abenteuer, weil das geliebte Kfz per Kran auf das Schiff gehievt werden musste. Das Auto wurde abgestellt und ein Hafenmitarbeiter durfte es zum Schiff fahren.

Die Autos wurden mit dem Kran in den Schiffsbauch verfrachtet. Dazu wurden am Boden zwei Netze aus Tauwerk ausgelegt: Ein Netz für jede Achse, und darauf musste das Auto stehen.

Die Compañía Trasmediterránea verfügte über mehrere Schiffe, die unterschiedlich heruntergekommen waren. Die besseren auf der Route nach Ibiza waren die “Ciudad de Barcelona” und die “Valencia”.

Eher im unteren Qualitätsniveau erschienen die „Plus Ultra“ und auch die „Ciudad de Ibiza“, allerdings hatte die Trasmediterránea so viele Schiffe, dass ich die einzelnen Typen heute nicht mehr finde.

Eins hatten die Schiffe gemein: Es waren keine „Roll on Roll off“-Fähren wie heute, stattdessen mussten alle Autos an den Kran gehängt werden. Sie wurden auf die Netze gefahren, dann surrte der Kran und es ging ziemlich flott nach oben. Dabei war es durchaus möglich, dass ein Fahrzeug schief am Seil hing oder beim Einschwenken auf das Deck an der Bordwand anschlug.

Deshalb wurde immer mit Spannung beobachtet, wie die Autos im Schiff verschwanden.

Beschädigungen wurden dabei von der Mehrheit billigend in Kauf genommen, vermutlich hätte man sowieso nichts machen können, hätte das Auto Schäden abbekommen. Nur meiner Oma war das wichtig. Die hatte sich auch ein paarmal getraut, mit dem Auto nach Ibiza zu fahren – und wir mussten so lange am Hafen warten, bis der Mercedes im Schiff war. Vorher gab es nichts zu essen und nichts zu trinken. Erst wenn der Mercedes verladen war, durften wir endlich in die Cafeteria.

Für mich als Kind war die Seefahrt sehr komfortabel. Das Schiff roch zwar im Inneren nach einer Mischung aus Diesel, Öl und Wachs, aber die Betten waren sehr bequem und am nächsten Morgen war ich sehr früh wach, wenn der Steward durch die Gänge ging und an jede Kabinentür klopfte, um die Reisenden zu wecken. Das hörte ich schon, wenn er noch sehr weit weg war: „Klopf, klopf, klopf, Ibiiiiizaaaa!“, und ich stürzte sofort an das Bullauge, um die Insel zu sehen.

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Text: Armin Kaul / Fotos: red
Copyright: Ibiza Kurier – Die deutsche Zeitung für Ibiza und Formentera 

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