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Retrospektive Ibiza in den 70ern: Für die Kinder gab es Bier mit Limo statt schädliche Cola – Armin Kauls Reisebericht: Eindrücke als Baby, Teenager und Erwachsener in Es Figueral (Teil 5)

Armin Kauls Reisebericht: Eindrücke als Baby, Teenager und Erwachsener in Es Figueral (Teil 5)

In der zweiten Hälfte der 60-er Jahre trieb es viele Aussteiger und Hippies nach Ibiza, aber auch sogenannte „Besserverdienende“ folgten dieser Welle.

Auf den ersten Blick gab es dort nur zwei Klassen: Ärzte, Ingenieure, Lehrer oder Freaks. Was den Anlass dazu gab, kann ich nur erahnen, zumal es vermutlich Literatur und Filme gab, die möglicherweise die Reiselust beflügelten.

Vielleicht war es die US-Kultur, die nach dem Krieg nach Europa schwappte. Was mich prägte, waren Filme von den „Hobos“, die in den USA illegal auf Güterzügen durch die Welt reisten. Später waren es Bücher wie „Unterwegs“ von Kerouac und die legendäre Reise von Ken Kesey und den Pranksters, die mir halfen, diesen Lifestyle zu begründen, weil das Verständnis für solche Unternehmungen in der ländlichen Provinz der Nordeifel nur gering war. 

Mit meiner Familie waren wir sehr oft auf Ibiza, auch mit anderen Familien und Nachbarn. Manchmal auch in den Osterferien, aber da war es unseren Eltern zu feucht und die Betten waren „klamm“. Juan hatte begonnen, Apartments in Es Figueral zu bauen, gegenüber von seinem elterlichen Gehöft. Das Erdgeschoß war noch im Rohbau, aber darüber konnte man schon wohnen. 

Unten drin saßen den ganzen Tag seine Mutter und sein Bruder. Sie wuschen dort Wäsche in dem ersten Apartment auf der Ecke. Der Bruder von Juan war taubstumm oder irgendwie sprachbehindert, jedenfalls konnte er nur mit irgendwelchen unverständlichen Grunzlauten kommunizieren. Anfangs dachte ich, das wäre vielleicht ibizenkisch, aber nachdem ich ihn mal angesprochen hatte, stellte ich fest, dass er sich wirklich nicht anders ausdrücken konnte.

Meistens wurde ich morgens davon geweckt, wenn sie das Vorhängeschloss aufmachten von dem Verschlag, wo sie den ganzen Tag drin saßen, und dann unterhielten sie sich den ganzen Tag in dieser komischen Quack-Sprache.

Weil die Strandbar von „Gordon und Bob“ nicht mehr existierte, mussten wir zur Bar von Juan, um was zu trinken und durften auch nicht mehr Cola trinken, weil es schädlich war, sondern Shanty, also Bier mit Limo.

Als der Bar-Junge von Juan wegen Knochenbruch krankgeschrieben war, hatte er anscheinend Probleme, den Betrieb zu regeln. So ergab es sich, dass ich in der Bude aushelfen durfte: Zuerst die leeren Gläser einsammeln, die Tische abräumen und abwaschen, später auch Bestellungen aufnehmen und an die Theke weitergeben.

Es gab dort Hamburger, die man mit verschiedenen Zutaten kombinieren konnte, was schwierig war, denn ich musste die Bestellung in irgendeiner Sprache aufnehmen und sie dann dem älteren Koch in der Küche auf Spanisch erklären. Dabei kam es schon mal zu komischen Kombinationen und der Koch schüttelte sich etwas angewidert, wenn ich wieder mit einer Hamburger-Bestellung kam: „Sowas isst man doch nicht!“

Meistens hat es aber funktioniert, es gab nur vereinzelt Beschwerden, weil ich nicht den richtigen Hamburger serviert hatte, ich aber den Gästen klarmachen konnte, dass der so sein müsse.

Dann kamen Ivo und Gisela ins Spiel. Ivo war Jugoslawe und hatte so einen typischen Schnauzbart wie „die vom Balkan“. Ivo war auf meinen Vater aufmerksam geworden, weil er in Deutschland den Jagdschein hatte und Ivo wollte, dass mein Vater ihm eine Waffe nach Ibiza bringt. Unabhängig davon, ob mein Vater es gewollt hätte, Ivo eine Waffe nach Ibiza zu bringen, scheiterte es daran, dass man eine Waffe nicht so zerlegen kann, dass typische Teile nicht mehr zu erkennen sind.

Also egal, wie klein man eine Waffe auseinander schraubt, es ist auf dem Röntgenbild am Flugplatz immer zu erkennen, dass es Teile einer Waffe sind.

Ivo und Gisela waren im Winter meistens kurz vor dem Verhungern. Sie wohnten gegenüber von Juans Apartments in dem alten Gehöft seiner Eltern. Die sammelten „Meeresaugen“, das sind so kleine Kalkdeckel, die die Muscheln machen, so groß wie eine Geldmünze und rund: ein kleines Plättchen aus Muschelkalk mit einer Spirale drin.

Ich habe einmal so ein Meeresauge gefunden und Ivo und Gisela machten daraus Schmuck. Sie hatten auf der Küchentür von Juans Strandbar einen Kasten aufgehängt mit Ohrringen aus den Meeresaugen. Aber es war schwierig, denn die Meeresaugen zerspringen schnell, wenn man sie anbohrt, und sind deshalb keine gute Einahmequelle.

Jetzt hänge ich beim Schreiben fest bei diesem „Hippie-Gedanken“ und wie es zu diesem „Love-Peace-and-Harmony“-Ding gekommen ist. Nun gut, es ist eine Kultur, die nicht funktioniert hat wie viele andere Kulturformen auch. Ich kenne eine ältere Frau, die mir erzählte, dass sie sehr oft auf Ibiza war, aber immer nur in Ibiza-Stadt. Sie war Dekorateurin im Kaufhof, sehr modebewusst, und ich wollte von ihr erfahren, was sie so toll an Ibiza fand, aber sie konnte es mir nicht erklären.

„Ich war immer nur in Ibiza-Stadt“, sagte sie, und: „Ich kenne nur Ibiza-Stadt. Ich weiß auch nicht, was ich da getan habe.“ Na gut, die Shopping-Möglichkeiten in Vila sind schon beeindruckend, und es gibt wohl einige Leute, die nur dahin fahren, um Klamotten zu kaufen.

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Text: Armin Kaul / Fotos: Flickr_CC_PatNeary
Copyright: Ibiza Kurier – Die deutsche Zeitung für Ibiza und Formentera 

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