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Frühlingsgefühle und landschaftsfeindliche, scharfkantige “Objekte“

Achtung, Satire: IK-Kolumnist Peter Urbansky blättert durch den Immobilienkatalog

Wenn die neuen Kataloge für Luxusimmobilien vor der Tür liegen, weiß ich, jetzt wird’s langsam Frühling auf Ibiza.

Erste Qualität, Vierfarbdruck, Mattglanz und gegen alle Wetterverhältnisse in Plastikbeutel eingelegt: Allein in unserer schönen Comunidad rund hundertfünfzig Stück, von denen rund hundert sofort in den Müll wandern, weil kaum jemand da ist. Wer mag, kann ja mal schätzen, was da auf dem Rest der Insel, den Balearen oder gar im ganzen Königreich zusammenkommt.

Aber kein Problem, denn “dieser Plastikbeutel besteht aus recyceltem Kunststoff und wurde von unserem Klimapartner CO2-neutral hergestellt”.

Noch CO2-neutraler wäre es natürlich gewesen, die Beutel gar nicht herzustellen und die hübschen Kataloge persönlicher zu verabfolgen. Allerdings geht den jüngeren Leuten und Leutinnen jeglicher Sinn dafür ab, was Verwendung und Zweck von auf Papier gedruckten Medien betrifft. Es handelt sich hierbei sicherlich um nachhaltige Marketingstrategien, von denen analoge Bumsköpfe wie ich nichts verstehen.

Immerhin kann man gemütlich auf dem Sofa in den paar überlebenden Prospekten herumblättern. 

Herrlich! Stabiler Text, die Bilder flitzen nicht herum oder werden plötzlich dunkler. Kein Piepen, Brummen, Vibrieren und dank des CO2-neutralen Beutels ist die Oberfläche wunderbar sauber und frei von Fettfinger- oder Speichelresten…

Mit Rücksicht auf die heutige Klientel wird in solchen Postillen auf Text fast völlig verzichtet. Stattdessen, wie im präibizenkischen Mesozoikum, einprägsame Symbole, die der Prospektseite den “Schrecken des Lesens“ nehmen und eher an eine “Benutzeroberfläche“ erinnern. Selbst ein Neandertaler könnte ohne weitere Einweisung diese Hefte “studieren“. Auch er hätte wie ich seine Freude dran. 

Was da geboten wird, ist einfach traumhaft, wenn man sich die Immobilie wegdenkt. Also, die Landschaft ist traumhaft, Ibiza eben. Die Immobilien allerdings stören das Bild meist empfindlich, wenn man noch Empfindungen hat. 

Es scheint ein weltweites Abkommen zu geben, dass im Hochpreissegment keine wirklichen Immobilien mehr angeboten werden, sondern nur mehr mobile, zusammenklappbare Verwahrstätten. Ich sehe da dürre, weiße Vierkantstelzen, Wände und Glasflächen, vermutlich in ein paar Stunden zusammengesteckt und jederzeit wieder zerlegbar, zum Beispiel von einem Novembersturm. Die Becken hinter derartigen Übergangsheimen laden eher zum Galvanisieren denn zum Schwimmen ein.

Auch drinnen wird jeglicher Frohsinn entmutigt: Drückende Kahlheit in weiß und grau. Aschgrau, feldgrau, mausgrau, steingrau… Vielleicht mal, als Ermunterung, ein freundliches Anthrazitschwarz und ein paar schmucklose Spiegel, die dieses triste Einerlei räumlich ins Unendliche potenzieren. Ganz selten als Farbtupfer ein wirkliches Holzgeländer, das um Verzeihung zu bitten scheint.

Unwillkürlich muss ich an ein Zitat aus einem Loriot-Film denken, dass sich Paare “in violett immer umbringen…“, oder so.

Die Bäder strömen den antiseptisch-verchromten Charme von gerichtsmedizinischen Instituten aus. Die Küchen erinnern an netzwerkgesteuerte Zerlegebetriebe. Was ist die Zielgruppe für solche Kulissen? Tote? Wer “lebt“ in sowas? 

Aber ach – natürlich. Diese Grabmale sind nicht zum drin leben da, sondern bestenfalls mal zum Übernachten – aber eigentlich nur zum Spekulieren. Auch in meiner Nachbarschaft fallen diese landschaftsfeindlichen, scharfkantigen “Objekte“ durch fast ganzjähriges Leerstehen auf. 

Im beiläufigen Geplauder während der Spaziergänge erfährt man dann, dass wieder mal der Besitzer gewechselt hat: Zuletzt ein Impfstofffabrikant, jetzt ein ukrainischer Flüchtling oder irgendein EU-Gesundheitsminister. Naja, so Leute halt, die sich unter richtigen Menschen nicht mehr blicken lassen können und weltweit ihre Dependancen unterhalten müssen, weil sie ständig auf der Flucht sind. 

Diese geplagten Existenzen müssen ihre schwer verdienten Millionen häufig ganz schnell irgendwo “parken“. Sie dürfen auch in Zonen bauen, die selbst geschützte Pflanzen und Tierarten nicht betreten dürfen.

Die meisten bekommen ihre Objekte kaum zu sehen. Manchmal aus Desinteresse, manchmal auch, weil die Objekte den Namen ”Objekte“ ganz und gar verdienen.

Wenn man schon nicht in solchen Dingern wohnen mag, kann man sie doch wenigstens vermarkten. Aus Scham (?) über all diese Hässlichkeit finden sich im Grundbuch selten die wirklichen Eigentümer, sondern phantasievolle Namen irgendwelcher, überseeischer Immobilienverwaltungsgesellschaften.

Tatsächlich gibt’s im Angebot aber auch noch richtige Häuser mit richtigen Möbeln drin. Sie führen eher ein Dasein als Randexistenzen, was man schon am niedrigeren Preis erkennen kann und werden scheinbar etwas widerwillig vom “High End-Fine Estate“-Markt durchgeschleppt wie ältere Herrschaften im Trachtenanzug kurz vor der Beisetzung.

Nicht sehr zeitgemäß, solche Refugien. Sie drücken der Landschaft nicht lärmend den Stempel einer digitalen Zivilisation auf, sie sind einfach Teil der Landschaft. Als wären sie mit den Felsen, Bäumen und Sträuchern direkt aus der Erde gewachsen. Solche Stücke sind eher selten im Angebot. Das mag daran liegen, dass dort richtige Menschen leben, die sowas erst hergeben, wenn sie tot sind oder pleite, was auf das Gleiche herauskommt.

Womöglich trifft man gerade deshalb immer noch angenehme Zeitgenossen hier auf Ibiza. Das sind Damen und Herren, die sich für einen Platz zum Leben entschieden haben und nicht für ein “Immobiliengeschäft“. Man sieht sich…

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Text: Peter Urbansky / Fotos: red
Copyright: Ibiza Kurier – Die deutsche Zeitung für Ibiza und Formentera 

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